Nachbesetzung am Supreme Court:Trump wählt eine konservative Abtreibungsgegnerin

Trump announces Supreme Court nominee

US-Präsident Donald Trump nominiert Amy Coney Barrett als Richterin am Supreme Court, wie er im Rosengarten des Weißen Hauses bekannt gab.

(Foto: AFP)

Mit Amy Coney Barrett nominiert Trump einen Star unter konservativen Juristen für das höchste Gericht der USA. Kritiker bezeichnen sie als "katholische Extremistin".

Von Thorsten Denkler, New York

US-Präsident Donald Trump hat an diesem Samstag Richterin Amy Coney Barrett als Nachfolgerin für die liberale Supreme-Court-Legende Ruth Bader Ginsburg nominiert. Er schlägt damit dem von den Republikanern dominierten Senat eine konservative Katholikin mit festen Glaubensprinzipien vor. Manche ihrer Gegner bezeichnen sie als "katholische Extremistin". Ginsburg war Freitag vergangener Woche an Krebs verstorben. Dem laufenden Wahlkampf um die Präsidentschaft gab das eine neue Wendung.

Trump hat jetzt, kurz vor der Wahl, die seltene Gelegenheit genutzt, zum dritten Mal in seiner Amtszeit eine Person für einen Sitz am höchsten Gericht der USA zu nominieren - auf Lebenszeit. Als Obama zu Beginn des Wahljahres 2016 einen Nachfolger für den verstorbenen Richter Antonin Scalia nominierte, wollten den die damals mehrheitsführenden Republikaner im Senat nicht mal anhören. Ein derart wichtiger Job dürfe nicht in einem Wahljahr vergeben werden, hieß es.

Das sah damals auch Barrett so. Sie erklärte, wenn eine Neubesetzung die Mehrheitsverhältnisse dramatisch verändere, sei es angebracht, die Entscheidung dem neu gewählten Präsidenten zu überlassen.

Das wird sie heute anders sehen. Die Republikaner stehen jedenfalls kurz davor, sich den Traum von einem höchsten Gericht zu erfüllen, das eine solide konservative Mehrheit hat. Statt einer oft wackeligen 5:4-Stimmenmehrheit der Konservativen dürfte bald eine satte 6:3-Stimmenmehrheit über die Verfassung der USA wachen.

Trump sucht Streit

Trump hätte es einfacher haben können. Bereit stand etwa auch Richterin Barbara Lagoa, konservativ, aber nicht so sehr, dass nicht auch Demokraten für sie hätten stimmen können. Vom Senat wurde sie Ende vergangenen Jahres mit überparteilichen 80 zu 15 Stimmen bestätigt. Trump aber scheint offenbar nicht nach Konsens zu streben.

Amy Coney Barrett gilt als Star-Juristin in konservativen Zirkeln. Sie stand schon länger auf Trumps Liste. Als es 2018 darum ging, einen Nachfolger für den zurückgetretenen Richter Anthony Kennedy zu finden, war sie in der engeren Auswahl. Trump entschied sich damals für Brett Kavanaugh. Zu hören ist, er habe sich Barrett für den Fall aufbewahrt, dass Ginsburgs Platz frei wird.

Mit ihrer Nominierung erfüllt Trump erneut das Wahlversprechen, nur religiös standfeste Richter mit klar erkennbarer Gegnerschaft zu Abtreibungen an den Supreme Court zu entsenden. Vor allem in evangelikalen Kreisen könnte ihm das helfen, aufgekommene Bedenken beiseite zu wischen.

Trump hatte Barrett im Mai 2017 für das Bundesberufungsgericht in Chicago nominiert. Der US-Senat, der jede Nominierung für Bundesgerichte bestätigen muss, stimmte im Herbst 2017 mit 55 zu 43 Stimmen für sie, das ist eine relativ knappe Mehrheit für so eine Position. Die Demokraten zweifelten fast durch die Bank an ihrer Qualifikation.

Barrett, 48, ist Mutter von fünf leiblichen Kindern, eines davon mit Trisomie 21. Zwei weitere Kinder, die sie adoptierte, sind auf Haiti geboren. Barrett gilt als harte Abtreibungsgegnerin. In ihrer Anhörung 2017 sagte sie, Abtreibungen seien "immer unmoralisch". In den zwei Fällen, in denen sie als Bundesrichterin über Abtreibungsfragen zu entscheiden hatte, sprach sie sich für mehr Restriktionen aus. Die große Sorge des liberalen Amerika ist, dass mit einer Verfassungsrichterin wie ihr am Supreme Court ein wegbereitendes Abtreibungsurteil aus den Siebzigerjahren überstimmt werden könnte, das jeden Bundesstaat verpflichtet, Abtreibungen möglich zu machen.

"Das Dogma lebt laut in Ihnen"

Barrett wuchs in Metairie, Louisiana, auf, einem Vorort von New Orleans. Ihr Vater war Anwalt einer Öl-Firma, ihre Mutter Hausfrau. Barrett besuchte die katholische St. Mary's Dominican High School für Mädchen, schloss später am Rhodes College in Tennessee mit Auszeichnung ab, um dann an der Notre Dame Law School in South Bend, Indiana, zu studieren.

Von 1998 bis 1999 arbeitete sie dem Obersten Richter Antonin Scalia zu. Der starb 2016 und galt als konservative Ikone am Supreme Court. Barrett arbeitete danach als Anwältin in Washington, nahm aber 2002 eine Professur für Verfassungsrecht an ihrer alten Uni an.

Im Mittelpunkt ihrer Anhörung vor dem Senat 2017 stand ihr tiefer römisch-katholischer Glaube. Demokratische Senatoren hinterfragten, ob sie unabhängig von ihren religiösen Überzeugungen urteilen könne. Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein brachte Zweifel an: "Das Dogma lebt laut in Ihnen", warf sie Barrett vor. Selbst religiöse Konservative fragten sich, ob Barrett ihren Glauben und die alltägliche Richtertätigkeit zu sehr vermische.

Die Annahme wird gestützt von einem Artikel, den Barrett 1998 zusammen mit einem Kollegen verfasste und von dem sie sich bisher nicht distanziert hat. Darin argumentierte sie, dass "katholische Richter (wenn sie der Lehre ihrer Kirche treu bleiben) moralisch von der Durchsetzung der Todesstrafe ausgeschlossen" seien. Wer die Todesstrafe verhänge, der gehe eine "Kooperation mit dem Bösen" ein.

Wenn das ihr Maßstab sei, fürchten Demokraten, dann gelte der womöglich auch für Fragen des Abtreibungsrechtes oder des Schutzes der LGBTQ*-Rechte. Unter Konservativen hingegen wird die Todesstrafe als Instrument der Rechtsprechung so gut wie nicht in Frage gestellt. Barretts Text hat deshalb auch dort für Irritationen gesorgt.

Die New York Times berichtete im September 2017, dass Barrett der Gruppe "People of Praise" angehöre, die sich als Teil einer Bewegung des charismatischen Katholizismus sieht. Zum Selbstverständnis der Gruppe gehört offenbar, dass ihre Mitlieder einen Treueschwur auf Lebenszeit ablegen. Barretts Name fand sich nach der Veröffentlichung der Geschichte nicht mehr auf der Webseite der Gruppe wieder.

Barrett könnte Trump nach der Wahl helfen

In ihrer Anhörung 2017 versuchte Barrett, Zweifel an ihrer juristischen Professionalität auszuräumen. Richter sollten ihre persönlichen Ansichten nicht über das Gesetz stellen, sagte sie. Die Linke sieht Barrett dennoch als das weibliche Abbild von Antonin Scalia, der leidenschaftlich gegen Entscheidungen des Obersten Gerichtes opponierte, die Abtreibungen erleichtert oder die Rechte der LGBTQ*-Gemeinschaft gestärkt haben. Barrett wird wie Scalia als "Originalist" bezeichnet, eine Lehre, nach der die Verfassung der USA im Grunde wortwörtlich anzuwenden ist. Progressive Richter versuchen, die Verfassung im Lichte der Zeit zu interpretieren.

Barretts Berufung könnte Trump noch in einer anderen Frage helfen. Im Falle einer Wahlniederlage am 3. November werde das Ergebnis auf jeden Fall vor dem Supreme Court landen, erklärte er diese Woche. Er werde einen Präsidenten Joe Biden erst dann akzeptieren, wenn dieser vom Supreme Court bestätigt werde, sagte Trump.

Da kann eine solide konservative Mehrheit am höchsten Gericht nur von Vorteil sein. Das dürfte ein weiterer Grund sein, weshalb sich die Republikaner im Senat beeilen werden, Barrett schnell zu bestätigen. Mit ihren 48 Jahren könnte Barrett noch sehr lange am Supreme Court arbeiten - ein Graus für die Demokraten.

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