Oktoberfestattentat:Eine Gedenkstätte, die das Grauen erfahrbar macht

Oktoberfestattentat: 234 Figuren stehen für die Opfer des Oktoberfestattentats. Auf ihnen erläutern Inschriften und Bilder die Tat.

234 Figuren stehen für die Opfer des Oktoberfestattentats. Auf ihnen erläutern Inschriften und Bilder die Tat.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Ein Labyrinth aus Silhouetten erinnert 40 Jahre nach dem rechtsterroristischen Anschlag auf der Theresienwiese an die Opfer.

Von Stephan Handel

Das neue Dokumentations-Denkmal zum Oktoberfestattentat stößt auf großes Interesse: War der Platz mit den 234 Metall-Silhouetten am Samstag nach der Eröffnung noch recht verwaist - wohl wegen des schlechten Wetters -, so zog im Sonntags-Sonnenschein ein steter Strom von Menschen zu der 200 Quadratmeter großen Fläche links vom Wiesn-Haupteingang.

Am Denkmal für die Opfer des Bombenanschlags, 1981 eingeweiht, hat die Jugend des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Eimer mit Blumen aufgestellt. Sie fordert die Besucher dazu auf, diese zum Gedenken niederzulegen - das tun auch viele, einige bleiben einen Augenblick in stiller Einkehr stehen, ein Mann schlägt hinterher das Kreuzzeichen. Die Besucher der Dokumentation nehmen die Pietät des Ortes ernst: Fast alle gehen schweigend durch die Metallfiguren, lesen die Texte, betrachten die Fotos, hören auf dem Handy weitere Erklärungen.

Die Dokumentation wurde gestaltet von Monika Müller-Rieger und ihrem Büro für Szenografie - das ist sozusagen eine Erweiterung der Bühnenbildnerei, Szenografen inszenieren auch Ausstellungen und Museumsräume. Müller-Riegers Arbeit basiert auf der offiziellen Zahl der Opfer: 13 Menschen starben, darunter auch der Täter Gundolf Köhler, 221 wurden verletzt.

Mehr als 200 Menschen auf 200 Quadratmetern: Während der Wiesn ist das ein typisches Gewusel, in der Gedenkstätte vermittelt es eine bedrückende Enge. Kaum einen Meter sind die Durchgänge breit; dass deswegen eigentlich die Corona-Masken aufgesetzt werden sollen, beachtet fast niemand. Ein Mann, seinen Namen will er nicht nennen, sagt, er bekomme nun zum ersten Mal einen Eindruck, wie das damals gewesen sein muss, wie dicht die Menschen beieinander standen und gingen, wie verheerend die Wirkung der Explosion gewesen sein muss. Seine Frau sagt, von dem Anschlag habe sie bisher nur eine mehr oder weniger abstrakte Vorstellung gehabt, nun aber einen konkreten Eindruck bekommen: "Das ist, wie wenn man Bilder vom Krieg sieht und dann tatsächlich mal ein zerbombtes Haus."

Gedenken zum Oktoberfest-Attentat

Bei Nacht leuchtet die neue Erinnerungsstätte.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Enge, das Durcheinander ist Konzept - führt aber auch zu einem Manko, das einige Besucher am Sonntagvormittag bemängeln: Zwar hat Monika MüllerRieger erklärt, es gebe einen Weg, der an allen Texten, allen Fotos, allen Monitoren vorbeiführt. Dieser Weg ist aber nicht leicht zu erkennen, und markiert ist er auch nicht. So kann sich zwar jeder Besucher seinen eigenen Pfad durch die Metall-Menschen suchen. Aber so ganz sicher sein kann er sich am Ende nicht, nun wirklich alles gesehen, alles gelesen, alles gehört zu haben.

Wenn die Menschen das Gedenk-Labyrinth verlassen, schauen die meisten sehr ernst über die Theresienwiese. Die Dokumentation macht das Grauen des 26. Septembers 1980 körperlich erfahrbar und hat eine Eindrücklichkeit, die weit über die pure Information hinausgeht - und sogar intensiver wirkt als das eigentliche Denkmal. Dort hat sich der Kreis mittlerweile fast gefüllt mit den Nelken der DGB-Jugend. München denkt an die Opfer des Oktoberfestattentats - mit Blumen, mit Gebeten und mit einem Irrgarten aus Metall-Silhouetten, der dem Gedenken Namen und Körper gibt.

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