SC Freiburg:Neuer Geländewagen

Sport-Club Freiburg v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Allgegenwärtig: Baptiste Santamaria (rechts), Freiburgs Neuer, beim 1:1 gegen Wolfsburg.

(Foto: Daniel Kopatsch/Getty Images)

Der Franzose Baptiste Santamaria ist die teuerste Verpflichtung in der Geschichte des Klubs. Schon bei seinem ersten Einsatz deutet der aus Angers geholte Mittelfeldspieler an, dass sich die Investition rentieren könnte.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Wolfsburgs Trainer Oliver Glasner war voll des Lobes für sein Team. Er sei "beeindruckt, wie die Mannschaft für den Punkt gefightet" habe. Allerdings hatten die Wolfsburger am Sonntag nicht bei einem der ganz großen Namen der Branche gespielt, was die Ode an die eigenen Farben ein wenig merkwürdig klingen ließ. Zudem war es nicht von der Hand zu weisen, dass der SC Freiburg einen Sieg gegen das nominell prominentere Team verdient gehabt hätte. "Gegen Stuttgart hatten wir ein bisschen Glück, heute hätten wir das Spiel für uns entscheiden sollen", fand Glasners Kollege Christian Streich nach dem 1:1. Streich wollte dieses zweite Saisonspiel unbedingt gewinnen. Wie schon das Auftaktduell, als beim VfB ein 3:2 eben noch über die Zeit gerettet werden konnte.

Diese Entschlossenheit spiegelte sich vor 3200 Zuschauern im Auftritt der Gastgeber. Einer, an den sie sich dort erst gewöhnen müssen, hört auf einen Namen, den sich im Grunde nur Schlagerproduzenten ausdenken können: Baptiste Santamaria. So heißt er wirklich, der 25-Jährige, der vor wenigen Tagen vom westfranzösischen Erstligisten SCO Angers kam - und stark in der Bundesliga debütierte. Mit etwas Glück hätte dieser Santamaria sogar den herbeigesehnten zweiten Treffer beigesteuert, nachdem Josip Brekalo (42.) die Freiburger Führung durch Nils Petersen (11.) ausgeglichen hatte. Doch seinen satten Linksschuss lenkte Wolfsburgs starker Torwart Pavao Pervan mit den Fingerkuppen an den Pfosten.

Überhaupt scheint dieser Santamaria genau jene Puzzle-Personalie zu sein, die Freiburg gefehlt hat. Während die Defensive eingespielt wirkt und sich die offensive Achse um Vincenzo Grifo, Roland Sallai, Lucas Höler und Nils Petersen erneut bewährte, war die Mittelfeldzentrale schon vor der Saison als Problemzone ausgemacht worden. Nicolas Höfler ist ein umsichtiger Ballverteiler, dem man allerdings nicht zu nahe tritt, wenn man feststellt, dass er nicht unbedingt offensiv denkt und eher nicht zu den schussstärksten Spielern der Liga gehört. An seiner Seite fehlte bislang ein Spieler, der sowohl die von Streich geforderte Robustheit mitbringt, das Kombinationsspiel bereichert und die Torgefahr aus der zweiten Reihe erhöht. Wer Santamaria gegen den VfL beobachtete, bekam den Eindruck, dass ihn diese Stellenbeschreibung nahezu perfekt charakterisiert.

Weit treffender für den Profi als der vom Barden Roland Kaiser erstmals 1980 besungene Familienname ("Santa Maria, Insel, die aus Träumen geboren ...") ist heute bereits der Spitzname, den ihm seine Mitspieler in Angers wegen seines Laufpensums gaben: "tout terrain", Geländewagen. Auch deshalb weint sein ehemaliger Trainer Stéphane Moulin, in dessen System Santamaria die Schaltzentrale war, so manche Träne. Es werde "schwer, auf dieser besonderen Spielposition einen Ersatz zu finden", klagt Moulin: "Davon gibt es nicht viele. Und die werden teuer."

Nichts fürchtet Christian Streich mehr als überbordende Erwartungen. "Sehr zufrieden", sei er, so Freiburgs Trainer, nachdem Santamaria nur viermal mit den neuen Kollegen trainiert hatte. Doch mit Hilfe des in Straßburg aufgewachsenen Teamkollegen Jonathan Schmid sei die Blitzintegration vorerst gelungen: "Wir haben es gut hingekriegt, dass es nicht zu viel auf einmal wurde, und er trotzdem vieles erfahren hat", so Streich. Santamaria selbst sieht das ähnlich, in einem Kurzinterview zeigte er sich angetan von der deutschen Liga, in der es "ohne Ruhepause von Tor zu Tor" gehe, während man in Frankreich, wo das Spiel "konstruierter" verlaufe, auch mal durchschnaufen könne.

Atemraubend fand man in Freiburg auch die Zahlen, die über den Transfer kolportiert wurden. Dass Santamaria der teuerste Transfer der Klubgeschichte ist - bislang war das Vincenzo Grifo, der 2019 sieben Millionen Euro kostete - wird nicht bestritten. Dass man zehn Millionen Euro überwiesen habe, aber durchaus. Und von den 15 Millionen Euro, von denen französische Medien berichten, könne gar keine Rede sein. Tatsächlich dürften die Zahlen von SCO Angers gestreut worden sein, wo ein erbitterter Disput zwischen Sportdirektor und Präsident herrscht, in dem offenbar beide Seiten Erfolge vorweisen müssen.

In Freiburg haben die Zahlenspiele des Sommers für Kopfschütteln gesorgt, doch den Transfer wollte man auch nicht scheitern lassen. Zu genau passt Santamaria ins Anforderungsprofil eines Vereins, dessen Scouting-Abteilung jüngst erst mit dem einstigen Freiburger Profi Karim Guédé verstärkt wurde, der sich speziell um die frankophonen Ligen kümmern soll.

Bis wieder ein Schlüsseltransfer gemeldet werden muss, haben die Scouts um Sportdirektor Klemens Hartenbach, Guédé und Vincent Keller, den Sohn des DFB-Präsidenten Fritz Keller, jetzt wieder mehrere Monate Zeit. Denn einstweilen sind die Wünsche der sportlichen Leitung erfüllt. Mehr als 35 Millionen Euro nahm der SC im Sommer für drei abgewanderte Stammspieler ein: Torwart Alexander Schwolow hält jetzt für Hertha BSC, Nationalverteidiger Robin Koch ging zu Leeds United, Nationalstürmer Luca Waldschmidt zu Benfica Lissabon. Rund zwei Drittel der Summe sind Rücklagen für den Stadionneubau, knapp ein Drittel ging für einen zugkräftigen Geländewagen drauf.

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