Quartier an Truderinger Straße:Ein Immobiliendeal, den es so in München noch nie gab

Berg am Laim und Neuperlach

Auf die freie Fläche hinter den Gleisen, in der Nähe des S-Bahn-Halts Berg am Laim, sollen 820 Wohnungen gebaut werden.

(Foto: SZ-Archiv/Jakob Berr)

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag will einem privaten Bauherren etwa 200 Wohnungen abkaufen. Was dieser neue Weg für bezahlbaren Wohnraum in München bedeutet.

Von Sebastian Krass

Es ist ein Immobiliengeschäft, das es so in München noch nicht gab: Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewofag beabsichtigt, etwa 200 Wohnungen aus einem geplanten 820 Wohnungen umfassenden privaten Bauprojekt herauszukaufen. Das bestätigt ein Gewofag-Sprecher auf Anfrage. Es geht um das Wohnquartier an der Truderinger Straße, nahe dem S-Bahn-Halt Berg am Laim, das der Münchner Bauunternehmer Ralf Büschl mit einer Familie von Grundeigentümern entwickelt.

"Die Gewofag will neue Wege beim Neubau bezahlbaren Wohnraums in München beschreiten", sagt ein Sprecher. "Der Ankauf schlüsselfertiger Wohnungen wäre eine interessante Möglichkeit, den eigenen Bestand an gefördertem und preisgedämpftem Wohnraum zu erweitern, ohne die eigenen Baukapazitäten zu belasten." Ralf Büschl bestätigt, "dass wir mit der Gewofag in Verhandlungen sind", und dass das Geschäft, wenn es denn klappt, einem Wunsch aus dem Stadtrat entspräche, dass der geförderte Wohnraum auf privatem Grund in städtische Hände gelangt. Bevor das Geschäft über die Bühne geht, muss der Stadtrat für den bereits gebilligten Bebauungsplan noch den Satzungsbeschluss fassen, mit dem das Baurecht rechtsverbindlich wird. Zudem müssten "die genauen Bedingungen" für einen Kauf geprüft werden, betont der Gewofag-Sprecher. Dass das Geschäft noch scheitert, ist aber unwahrscheinlich. Auch im Stadtrat geht man davon aus, dass es klappt. Über den möglichen Preis gibt es keine Angaben.

Die Gewofag würde mit dem Kauf die geförderten und preisgedämpften Wohnungen an der Truderinger Straße übernehmen, die die Bauherren nach den Regeln der Sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) bauen müssen, als Gegenleistung für das Baurecht, das sie von der Stadt bekommen. Die privaten Investoren haben meist wenig Interesse, diese Wohnungen zu behalten, weil sich damit kurz- und mittelfristig nichts verdienen lässt. Deshalb kommt es immer wieder vor, dass sie blockweise verkauft werden. Käufer sind oft langfristig orientierte Fonds, die auf die Zeit nach dem Ende der Sozialbindung spekulieren. Denn nach 25 bis 30 Jahren läuft die Bindung aus, und die bis dahin preisregulierten Wohnungen kommen auf den freien Markt. Dieser Mechanismus würde nun an der Truderinger Straße durchbrochen.

"Mit der Gewofag wäre eine langfristige Sicherung des bezahlbaren Wohnraums gegeben", sagt Anna Hanusch, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat. "Wir wollen mehr Wohnungen in städtische Hand bekommen, deshalb begrüßen wir das Vorhaben." Auch SPD-Fraktionschef Christian Müller und die planungspolitische Sprecherin der CSU, Heike Kainz, die beide auch Mitglieder im Gewofag-Aufsichtsrat sind, signalisieren Zustimmung.

Der Ankauf fertiger Wohnungen sei aber nur eine Variante, so Hanusch. Noch mehr Hoffnungen setzen die Grünen in eine Reform der Sobon, die die Stadtregierung um Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) mit der Immobilienwirtschaft aushandeln will. Den Grünen schwebt vor, dass private Investoren künftig nur noch 50 Prozent des Baurechts für Wohnungen auf privaten Flächen bekommen und die anderen 50 Prozent direkt an die Stadt gehen. Der Koalitionspartner Müller will die Sobon grundsätzlich auch dahin entwickeln, dass private und öffentliche Bauherren Grundstücke gemeinsam entwickeln. Die 50 Prozent seien aber "erst einmal eine Landmarke", sagt Müller, darüber müsse man mit den Grünen noch sprechen. "Am Ende kommt es vor allem darauf an, dass wir nennenswert mehr Mietwohnungsbau bekommen." CSU-Stadträtin Kainz warnt davor, "dass der Wohnungsbau weniger interessant für private Investoren werden kann, wenn die Anforderungen weiter angezogen werden".

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