Band aus Glonn:Anarchisch, lyrisch, wienerisch

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"Glitzerbeisl" veröffentlicht die erste CD: "Wahlium One". Doch was Zitherspieler Manuel Kuthan, Drummer Ray Cipolla und Trompeter Heinz Dauhrer da bieten, ist alles andere als einschläfernd

Von Alexandra Leuthner

Wahrscheinlich glitzert es an diesem Ort immer ein bisschen. An diesem Vormittag mag das helle Licht des frühen Herbstes seinen Teil dazu beitragen. Hier, am Ortsrand des Glonner Ortsteils Reinstorf ist quasi die Keimzelle von Manuel Kuthans Glitzerbeisl, also der Punkt, von dem aus die drei "Austronauten" - Zitherspieler Manuel Kuthan, Trompeter Heinz Dauhrer und Schlagzeuger Ray Cipolla - mit ihrem Raumschiff regelmäßig in die Umlaufbahn des Planeten Musik starten. Beladen ist es mit einem inspirierenden Stilmix, der irgendwo zwischen Jazz und Indie, Reggae und klassischem Zitherspiel changiert, gewürzt mit sarkastischem Schmäh und einer gehörigen Portion Wiener Garstigkeit. Und wenn sie jenen glitzernden Augenblick bei einem Auftritt erlebt haben, in dem "eine Verbundenheit entsteht, in dem jeder sich der Seele des anderen bewusst ist", wie Manuel Kuthan es formuliert, eben, wenn es glitzert, dann kehren sie befriedigt an ihren Startpunkt zurück. Bevorzugt erleben sie solche Augenblicke in einem "Beisl", was nichts anderes meint als ein Gasthaus.

Dass in diesem Jahr alles anders ist, versteht sich von selbst. Farmers Club Sonnenhausen, Fraunhofer-Theater München, Schrottgalerie Glonn, Inn-Kaufhaus Wasserburg - soweit die unvollständige Liste der Konzertabsagen, die das Jahr der drei Musiker bisher bestimmt hat. Ein Livestream aus der Schrottgalerie im Juli war zwar ein Lichtblick, aber doch nur ein schaler Ersatz für all jene Auftritte, bei denen "uns das Publikum quasi auf den Instrumenten sitzt. So mögen wir es am liebsten", erklärt Schlagzeuger Reiner Ewert, alias Ray Cipolla. Das passt natürlich zu keinem Hygienekonzept, was das Austronautenschiff eben "ins Trockendock" zwingt.

Manuel Kuthan hat neben seiner Musik immer noch jede Menge kreatives Potenziel übrig. Dann macht er Holzpuppen oder schreinert schon mal Fake-Imbissbuden. Bei seinem Haus in Reinstorf kommen die Glitzerbeisls zusammen, wenn sie gemeinsam an neuen Stücken arbeiten. (Foto: Christian Endt)

Wo zumindest der Kreativität nicht das Wasser abgegraben wurde, wenn schon der direkte Austausch mit den Fans fehlt. Im ersten Stock des alten Häuschens, das Manuel Kuthan zusammen mit seiner Lebensgefährtin bewohnt, wird weiter musiziert, für die Homepage wurde die Figur eines etwas depressiven, aber, wie nicht anders zu erwarten, anarchischen Kulturbeauftragten erfunden, der die momentane Dürre beklagt, in der nicht nur, aber vor allem die Kleinkunst der coronabedingten Beschränkungen wegen steckt. Er stellt die Gretchenfrage: "Quo vadis, Kultur?"

Allem Gegenwind zum Trotz hat man hier ständig das Gefühl, dass etwas im Werden, am Wachsen und Gedeihen ist, wenn die Drei zwischen gelb leuchtender Goldrute und ähnlich gefärbten Herbstfeldern vor Kuthans Haustür zusammen sitzen. Da entstehen Figuren, Wortspiele, und auf diese Art kommt es auch zur gemeinsamen Musik. "Ich finde eine Melodie und Ray sagt, da passt doch ein Reggae-Rhythmus dazu", erzählt Kuthan. Zwischen ihnen, auf einem alten Holztisch, liegt ihre erste gemeinsame CD, "Wahlium One". Auch so etwas aus der funktionierenden Kreativwerkstatt. Alles selbst gemacht, sogar die Gestaltung, bei der Kuthans Mutter Karin Patzak als grafische Supervisorin mitgewirkt hat. Kuthan selbst hat die Figuren gezeichnet. Schräg hinter dem Tisch steht ein selbst gebautes Kasperltheater, in dessen Fenster "Heinzi, der Wiaschdlmann" lehnt - auch er ist der Fantasie des Allround-Künstlers Kuthan entsprungen. Puppenbauer, Holzbildhauer und Illustrator hat er gelernt, ist mit seinem Puppentheater aufgetreten und gemeinsam mit dem Komiker Sebastian Scheule bei Clownfestivals gewesen.

Ray Cipolla, Heinz Dauhrer und Manuel Kuthan verstehen es, sich selbst auf den Arm zu nehmen. (Foto: Christian Endt)

Mit acht Jahren, 1985, hat Kuthan angefangen, Hackbrett zu lernen, dann, als Elfjähriger, Zither zu spielen bei Roman Messerer. Die Volksmusik war lange sein musikalischer Hauptberuf - im Brotberuf arbeitet er als Pfleger für den Münchner Verein "Gemeinsam leben lernen". Bis 2017 war er zusammen mit Andreas Waldschütz treibende Kraft der Kerschbam Zithermusi, als Zitherspieler und Komponist für diverse Volksmusikensembles tätig, Auftritte in Radio und Fernsehen inklusive. Kuthan stand mit dem Schauspieler Günther Maria Halmer auf der Bühne, spielte im Mozarteum in Salzburg, bei Zitherfestivals im österreichischen und bayerischen Raum, arbeitete als Zitherdozent in Vorarlberg.

Eine kreative "Explosion" aber, erzählt er, die habe er erlebt, als er Ray Cipolla begegnete, der das Schlagzeugspiel bei Joe Kukula lernte, in verschiedenen Rock-Jazz-Fusion-Formationen spielte und bei Nekropolis dem Krautrock huldigt. Vor fünf Jahren liefen sich Kuthan und Cipolla in der Glonner Wiesmühle über den Weg, eineinhalb Jahre später fingen sie an, miteinander Musik zu machen. Und als dann der Trompeter Heinz Dauhrer dazustieß, alterfahrener Mitstreiter unter anderem der Veterinary Street Jazz Band, war Glitzerbeisl geboren. Die Versuchung, über die Volksmusik hinaus zu gehen, hatte Kuthan schon lange gespürt. "Ich komme nicht aus einem traditionellen Haushalt", erzählt er, "meine Eltern waren Hippies". Da liefen Allan Parsons und Frank Zappa, keine Zithermusik. Kuthan fing früh an, selber zu komponieren, "Lieder und Texte aus meinem Leben" - nur das Publikum fehlte noch.

Die neue CD hat Manuel Kuthan, der auch die Texte geschrieben hat, selbst gestaltet. Unterstützt wurde er von seiner Mutter Karin Patzak. (Foto: Christian Endt)

Das ist jetzt anders. Selbst beim Skatewoodstock in Pfaffing wäre das Trio gebucht gewesen, - "ein Lebenstraum", sagt Kuthan, der genauso lang auf dem Skateboard steht wie er Zither spielt, 32 Jahre bis jetzt. Und natürlich hätte die Performance auch den Verkauf der CD angekurbelt, die Glitzerbeisl noch im Februar im Münchner Mastermix Studio aufgenommen haben. Im Fraunhofer hätte die Release-Party sein sollen für das Werk, in welches Kuthan als Texter viel von dem hinein gepackt hat, was ihn beschäftigt - und ausmacht. Darunter ein kräftiger Schuss bitterer Humor, den er als Kind Wiener Eltern mit der Muttermilch aufgesogen hat, eine gesunde Skepsis den Mächtigen und Großkopferten gegenüber, aber auch großer Respekt vor Freundschaft und vor dem Leben. Und immer wieder vor den Bergen - etwas, das dem früheren Skilehrer sein Großvater beigebracht hat. Das Ganze hat er mal lyrisch, mal in deftig lautmalerische Tiraden verpackt, musikalisch von der gesamten Band in Szene gesetzt. Die Melodien schreibt Kuthan, für den Groove sorgt Cipolla und Dauhrer setzt als "Schlagobers" feine jazzige Soli oben drauf.

Die neue CD ist unter hallo@glitzerbeisl.de erhältlich.

© SZ vom 06.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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