"Hate Speech"-Gesetz:Das könnt ihr besser

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lässt das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität überarbeiten. Damit es nicht vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Woche um Woche zögerte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, seine Unterschrift unter das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität zu setzen. Zu groß waren die verfassungsrechtlichen Zweifel. Nun hat sich der Bundespräsident offenbar entschieden, der großen Koalition eine Chance zur Nachbesserung zu geben. Er werde das Ausfertigungsverfahren aussetzen, um "die Verabschiedung einer entsprechenden Änderungsregelung durch Bundestag und Bundesrat abzuwarten", heißt es in einem Schreiben des Bundespräsidialamts an den Bundesrat, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Steinmeier habe die Bundesregierung gebeten, die Änderungen "möglichst unverzüglich zu erarbeiten und einzubringen". Das soll bis zum Jahresende der Fall sein.

Das Gesetzespaket enthält erstmals eine Anzeigepflicht für die Betreiber sozialer Netzwerke wie Facebook. Sie müssen rechtswidrige Posts an das Bundeskriminalamt melden. Weil damit aber der Abruf von "Bestandsdaten" wie Name, Anschrift und Geburtsdatum verbunden wäre, ist sehr wahrscheinlich, dass das Gesetz beim Bundesverfassungsgericht scheitern würde. Denn das Gericht hatte am 17. Juli - also wenige Wochen nachdem der Bundestag das Hate-Speech-Gesetz verabschiedet hatte - einen Beschluss veröffentlicht, wonach auch solche Daten nicht "ins Blaue hinein" abrufbar sein dürfen. Das ist keine unüberwindbare Hürde - aber in dem Gesetz fehlen Vorgaben dazu. Im Bundespräsidialamt scheint man daher keinen Zweifel zu haben, dass dies dem Grundgesetz widerspricht. Der Autor des Briefs, Amtschef Stephan Steinlein, schreibt, er habe am Rande einer Kabinettssitzung mit Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) über das Gesetz gesprochen. "Dabei war die Verfassungswidrigkeit der betreffenden Normen nicht streitig." Dem Brief zufolge gilt dieser Befund auch für das Zollfahndungsdienstgesetz, das ebenfalls der Ausfertigung harrt. Die Grünen-Politikerin Renate Künast kritisierte, dass wegen eines handwerklich schlecht gemachten Gesetzes nun die Bekämpfung des Rechtsextremismus verzögert werde. "Das hätte man besser machen können und müssen", sagte sie zur SZ. Schon 2010 hatte das Verfassungsgericht ähnliche Befugnisse zum Datenabruf beanstandet.

Bisher gab es nur acht Fälle, in denen ein Bundespräsident seine Unterschrift unter ein Gesetz verweigert hat; meist ging es um eher formale Fragen. Dass aber der Präsident ein Gesetz anhält, um Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben, ist ungewöhnlich.

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