SZ-Kolumne "Alles Gute":Das Kleidungsstück, das Komplimente einbringt

Corona und Alltag
(Foto: Steffen Mackert)

Die Maske als Gesprächsthema ist ein Dauerbrenner dieser Corona-Monate, ob man will oder nicht. Ganz besonders, wenn sie ihren Träger als etwas identifiziert, das er nicht ist.

Von Michael Neudecker

Er sagte "buon giorno", vermutlich, sprach dann weiter, es hörte sich schön an, denn so ist das, wenn jemand Italienisch spricht: Alles klingt wie Liebeslied. Nur, ich kann kein Italienisch. Der Versuch, es zu lernen, scheiterte vor vielen Jahren während des Studiums, es war ein Abendkurs und die komplexen Zeitstrukturen sowie die Anforderungen einer sozialen Gemengelage, die nicht untypisch sind für das junge Studentenleben, ließen einen erfolgreichen Abschluss nicht zu. Die Idee, den Kurs zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzunehmen, wurde vom Leben verschluckt. Nun will es der Lauf der Zeit, dass man mich dieser Tage in allen möglichen Situationen für einen Italiener hält und folgerichtig auf Italienisch anspricht, so auch der sicher freundliche Kantinenkoch. Wegen der Italia-Maske.

"Aaah, Italiano!", rief der Mann neulich in der Cafeteria, andere malen eifrig kreisförmige Zeigefingerbewegungen vor die Mundpartie, und es kommt vor, dass mich wildfremde Menschen auf der Straße anlächeln. Darüber hinaus werde ich in der Arbeit gelegentlich gefragt, wie sich das für ein Haus voller ernsthafter Journalisten gehört: Interessant, Italien, welche Botschaft verbirgt sich denn dahinter?

Si, si, sage ich manchmal, hin und wieder nicke ich freundlich, und die Botschaft: Nun ja. Man könnte sich die Infektionszahlen Italiens einprägen und sie dann wissend aufsagen, über die Lage in Bergamo referieren, auf die politische Gesamtsituation in Italien verweisen und die Freunde in Rom, die während des Lockdowns dort wirklich kein schönes Leben hatten - aber in Wahrheit ist die Sache doch recht einfach.

SZ-Kolumne "Alles Gute": Sitzt gut, satte Farben: der Mund-Nasen-Schutz aus Italien.

Sitzt gut, satte Farben: der Mund-Nasen-Schutz aus Italien.

(Foto: Michael Neudecker/OH)

Sommerurlaub, Toskana, wir irgendwo im Nirgendwo, viel Sonne, Pool, Tage in Badehosen, und dann diese Masken im kleinen Laden im nahe gelegenen Dorf, fünf Euro das Stück, verdammt lässig. Wir haben mehrere genommen, und was soll ich sagen: Es war ein guter Kauf. Wenn man den medizinischen Mund-Nasen-Schutz aus der Apotheke aufsetzt, fühlt es sich an, als würde man einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz aus der Apotheke tragen. Die Italia-Maske legt sich auf die untere Gesichtshälfte wie ein Kleidungsstück, das einem Komplimente einbringt.

Die Maske als Gesprächsthema ist ein Dauerbrenner dieser Monate, ob man nun will oder nicht. Als das losging mit den Masken, habe ich geschworen, sie niemals als Mode-Accessoire zu betrachten, sondern immer als das, was sie sind: ein Schutz im Kampf gegen ein Virus, im Extremfall kann die Maske helfen, Leben zu retten. Wir tragen sie nicht, weil wir sie hübsch finden, sondern weil es virologische beziehungsweise medizinische Gründe gibt, oder auch gesellschaftlich relevante: Wer Maske trägt, vergisst nicht, dass das Virus immer noch da ist.

Aber wenn die ganze Corona-Sache vorbei ist, dann überlege ich mir das noch mal, mit dem Abendkurs.

In dieser Kolumne schreiben SZ-Redakteure wöchentlich über die schönen, tröstlichen oder auch kuriosen kleinen Geschichten in diesen vom Coronavirus geplagten Zeiten. Alle Folgen unter sz.de/allesgute

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