Medizin:Corona oder Grippe?

Schnupfen und Co.: Was wirklich bei Erkältungen hilft

Wenn es kälter wird, läuft bei vielen die Nase - aber warum?

(Foto: Christin Klose/dpa-tmn)

Die Symptome der beiden Krankheiten ähneln sich mitunter sehr. Wie man sie unterscheiden kann - und wann es Zeit ist, zum Arzt zu gehen.

Von Werner Bartens

Sind die warmen Tage vorbei und die Kälte kriecht in Haut und Knochen, ist es an der Zeit: Das Land hustet, niest und rotzt. An sich gehören Erkältungslaute zum Herbstbeginn wie die ersten Lebkuchenherzen im Supermarkt und wären nicht ungewöhnlich, wenn nicht pandemische Viren seit Monaten das Land und die Welt in Atem halten - und manchen Menschen den Atem rauben würden.

Die Frage, ob das Kratzen im Rachen, der Hustenreiz oder die verstopfte Nase "nun doch Corona", einen grippalen Infekt oder eine Influenza zur Ursache haben, dürfte derzeit viele Menschen beschäftigen. Leider ist das nicht leicht zu beantworten, denn trotz typischer Hauptsymptome kann eine Infektion mit Sars-CoV-2 wie auch eine Grippe nahezu ohne Beschwerden verlaufen oder mit sehr unterschiedlichen Symptomen einhergehen - und diese können wiederum verschieden stark ausgeprägt sein. Als Chamäleon bezeichnen Ärzte das Phänomen, wenn eine Krankheit so vielfältig ist, dass Patienten über jeweils etwas anderes klagen. Der eine leidet an Schluckbeschwerden, beim nächsten steht die Atemnot im Vordergrund, andere haben vor allem Gliederschmerzen oder beklagen fehlenden Geschmack.

Geruchs- und Geschmacksverlust ist ein sehr häufiges Symptom von Covid-19

"Zu den im deutschen Meldesystem am häufigsten erfassten Symptomen zählen Husten, Fieber, Schnupfen sowie Geruchs- und Geschmacksverlust", informiert das Robert-Koch-Institut (RKI). "Es können symptomlose Infektionen bis hin zu schweren Pneumonien mit Lungenversagen und Tod auftreten." Nach den Meldedaten leiden 45 Prozent der an Covid-19 Erkrankten an Husten, 38 Prozent haben Fieber, 20 Prozent Schnupfen und 15 Prozent klagen über Störungen des Geruchs- oder Geschmackssinns. Eine Lungenentzündung ist seltener, aber auch Halsschmerzen, Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Übelkeit, Bauchweh, Erbrechen, Durchfall, Hautausschlag, Apathie, Bindehautentzündung und Verwirrtheitszustände sind dokumentiert.

In einem ständig aktualisierten Überblick zu Covid-19, für den im British Medical Journal die internationale Literatur ausgewertet wird, ist die Häufigkeit von trockenem Husten mit 68 Prozent angegeben, von Fieber zwischen 44 und 77 Prozent, für Atemnot mit 38 Prozent und Störungen von Geruch und Geschmack mit 41 beziehungsweise 35 Prozent. Über Erschöpfung klagen demnach 30 Prozent der Erkrankten, über Gliederschmerzen 17 Prozent. Dass neben oberen Atemwegen auch fast alle anderen Organe bei Covid-19 beeinträchtigt sein können, wurde oft beschrieben. Besonders Nieren, Herz und Verdauungstrakt sind betroffen, aber auch neurologische Symptome mit Kopfschmerzen, Schwindel und anderen Beeinträchtigungen kommen vor.

Die Beschreibungen und Prozentangaben zu einer Infektion mit Sars-CoV-2 spiegeln allerdings eine Genauigkeit vor, die nicht gegeben ist. "Eine Unterscheidung zwischen Covid-19 und Erkältungsinfekten oder einer Influenza ist allein anhand klinischer Anzeichen und Beschwerden oft nicht möglich", schreiben die Autoren im British Medical Journal. "In der Regel zeigen Patienten mit Influenza, also einer klassischen Grippe, hohes Fieber, teils damit verbundene Verwirrtheit und schnell auch eine Kreislaufinstabilität", sagt Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie der München Klinik Schwabing. Doch auch Husten und andere Symptome kommen vor. Anhaltende Störungen von Geruch und Geschmack gibt es nicht nur bei Covid-19, sondern auch während und nach einer Grippe. Ein weiterer Hinweis könnte der Verlauf sein. Bei der Influenza sind die Symptome zwischen Tag drei und Tag sieben besonders ausgeprägt, bei Covid-19 in den Wochen zwei und drei.

Grippale Infekte sind fast immer auf Nase, Mund, Rachen und Nebenhöhlen beschränkt

Grippale Infekte sind hingegen fast immer auf die Schleimhäute von Nase, Mund, Rachen und die Nebenhöhlen beschränkt: Halsweh, Triefnase mit Schnupfen und Husten sind die Folge. Da allein mehr als 200 Virus-Subtypen ein Erkältungsleiden auslösen können, sind auch hier - zumeist geringes - Fieber, Kopfweh und Lungenbeteiligung möglich, was die Abgrenzung zu milden Verläufen von Covid-19 oder Influenza schwierig machen kann.

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In der Praxis stellt sich die Frage, wann der Arzt oder die Klinik aufgesucht werden sollte. Hier ist die Schwere des Krankheitsgefühls wichtig. "Man kann im Herbst nicht jedes Kind, das schnupft oder hustet, 14 Tage zu Hause lassen", sagt Reinhard Berner, Chef der Uni-Kinderklinik in Dresden. Mit seinem Team hat er eine Empfehlung für das sächsische Kultusministerium erstellt. Bei leichten Symptomen können Kinder weiterhin in Schule oder Kita, bei heftigeren Beschwerden sollte der Arztbesuch erwogen und ansonsten zwei Tage abgewartet werden.

"Entscheidend für die Klinikeinweisung eines Sars-CoV-2-positiven Patienten ist zunächst das klinische Bild: starke Atemnot, hohes Fieber und drohender Kreislaufkollaps", sagt Wendtner, der mit seinem Team mehr als tausend Covid-19-Erkrankte betreut hat. "Ohne dieses klinische Bild abwarten zu müssen, wäre meine Empfehlung, bereits zu Hause oder beim Hausarzt die Sauerstoffsättigung zu messen." Patienten mit Covid-19 haben oft Sättigungsabfälle, ohne dass sie dies subjektiv als Atemnot wahrnehmen. "Eine Sauerstoffsättigung deutlich unter 94 Prozent bei Covid-typischen Symptomen wie Husten, Fieber, auch Geruchs- und Geschmacksstörungen, wäre eine Indikation für eine stationäre Einweisung", sagt Wendtner.

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