Corona-Statistik:Widersprüchliche Zahlen

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Die Regeln zum Schutz vor einer Ansteckung sind das eine. Die Ermittlungen der aktuellen Infektionszahlen das andere. (Foto: Claus Schunk)

Der offizielle Sieben-Tages-Inzidenzwert hinkt der Realität im Landkreis hinterher

Von Iris Hilberth, Landkreis

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat die große Stunde der Statistiker geschlagen. Selten hat die Welt so ausdauernd interessiert und zugleich nervös auf Zahlen, Balken und Kurvendiagramme geschaut. Und nur wenigen wäre zuvor der Zungenbrecher Sieben-Tages-Inzidenz locker über die Lippen gegangen. Bei der 35 kommt ein Landrat ins Schwitzen, die 50 will er besser nie sehen.

Dieser Wert, der aussagt, wie viele Leute pro 100 000 Einwohner sich innerhalb der vergangenen sieben Tage in seinem Zuständigkeitsbereich angesteckt haben, gibt den Takt der Lockerungen oder Verschärfungen an. Er macht aus, ob an Schulen wieder Masken im Unterricht getragen werden müssen, Wirtschaftshäuser wieder früher zuzusperren haben und wie viele Leute sich treffen dürfen. 35 bedeutet über Maßnahmen nachzudenken, 50 heißt Pflicht zum Handeln.

Auch das Landratsamt München veröffentlicht neben den aktuellen Neuinfektionen in den 29 Gemeinden des Landkreises stets den Sieben-Tages-Inzidenzwert. Den rechnet die Behörde allerdings nicht selbst aus, sondern übernimmt ihn vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). So steht das auch ausdrücklich auf der Webseite des Landratsamts. Und so kam es in den vergangenen Tagen zu der seltsamen Entwicklung, dass mehrfach zweistellige Infektionszahlen gemeldet wurden, während der wichtige Inzidenz-Wert kommod unter 20 vor sich hin dümpelte.

Wer nun also etwa am Donnerstag, als 28 positive Tests beim Landratsamt aufschlugen, zum Taschenrechner griff, die Zahlen der sechs Tage zuvor dazu addierte und die Summe von 102 Fällen durch 3,5 teilte, weil der Landkreis ja etwa 350 000 Einwohner hat, wird sich bei einem Ergebnis von 29,1 und dem Blick auf die offizielle Zahl etwas gewundert haben. Denn die lag bei 19,40.

"Das kann man so nicht rechnen", sagt Christine Spiegel, die Sprecherin des Landratsamts. Das LGL zählt nämlich anders als das Landratsamt, das heißt: Es hinkt etwas hinterher. Auch werden die Zahlen dort immer um 0 Uhr aktualisiert, während die Mitarbeiter des hiesigen Gesundheitsamts stets den Stand vom frühen Nachmittag melden. So waren die am Freitag bereits bei insgesamt 2224 Infektionsfällen seit Februar, währen das LGL bislang nur 2198 für den Landkreis München gelistet hatte. Die Sieben-Tages-Inzidenz wird dort aktuell mit 23,68 festgelegt und nähert sich nun zumindest etwas dem Wert, den die Zahlen des Landratsamts ergeben würden (28,3).

Ausschlaggebend für mögliche Maßnahmen ist laut Spiegel die offizielle Zahl des Landesamts. "Aber wir haben die aktuellen Zahlen natürlich immer im Blick und würden frühzeitig entsprechend reagieren", stellt sie klar. Am Freitagnachmittag meldete das Landratsamt etwa 22 weitere positive Tests.

Aktuell gelten im Landkreis 163 Personen als infiziert und 1965 als statistisch genesen. 96 Menschen sind seit März in Zusammenhang mit Corona gestorben. Bei den Jüngsten bis vier Jahren und den Ältesten über 80 sind keine weiteren Ansteckungen dazugekommen. Die Neuinfektionen verteilen sich auf die verschiedenen Altersklassen zwischen fünf und 79 Jahren, wobei die 15- bis 34-Jährigen mit elf positiven Tests innerhalb von 24 Stunden am meisten zulegten.

© SZ vom 10.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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