Mehrwertsteuer:Rossmann nimmt Rabatt zurück

Rossmann Drogeriekette

Die Drogeriekette Rossmann nimmt als erster großer Handelskonzern in Deutschland den zusätzlich zur Mehrwertsteuersenkung gewährten Rabatt von 0,5 Prozentpunkten wieder zurück.

(Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Der Drogist nennt die temporäre Reduzierung der Mehrwertsteuer "abstrus". Auch Konkurrent dm kritisiert, dass die Maßnahme der Bundesregierung verpuffe.

Von Michael Kläsgen

Gut drei Monate nach Einführung der Mehrwertsteuersenkung stößt die von der Bundesregierung beschlossene Maßnahme auf offene Kritik großer Handelsunternehmen. "Die gesamte Mehrwertsteuersenkung ist abstrus. Sie ist sozial unausgewogen, sie hilft denen kaum, die unter der Krise leiden, und die erhoffte Konsumbelebung ist komplett ausgeblieben", sagte Raoul Roßmann, der designierte Chef der zweitgrößten deutschen Drogeriewarenkette Rossmann der SZ und fügte hinzu: "Es kann doch nicht sein, dass ein Land 20 Milliarden Euro, was dem Etat für Forschung und Bildung entspricht, für nichts investiert."

Auch Christoph Werner, Chef des Branchenprimus dm, kritisiert die Maßnahme: "Wir bei dm geben unseren Kunden die Mehrwertsteuersenkung Artikel für Artikel vollständig weiter. Allerdings können wir auch beobachten, dass die von der Bundesregierung beschlossene Senkung der Steuer weitgehend verpufft und sicherlich effektivere Maßnahmen hätten beschlossen werden können."

Roßmann hätte Konsumgutscheine, wie sie in anderen Ländern von der Regierung verteilt wurden, für eine bessere, weil zielgerichtete Maßnahme gehalten. Von einer Verlängerung der Mehrwertsteuersenkung über das Jahresende hinaus, wie sie vom Handelsverband und Teilen der Politik ins Gespräch gebracht wird, rät er dringend ab: "Es wäre fatal, das so weiter laufen zu lassen, weil die Neuverschuldung ungerecht gegenüber den folgenden Generationen wäre und am Ziel vorbeiführt." Roßmann hält direkte Hilfen für Textilhändler oder Gastronomen für sinnvoller und befürwortet eine Steuer auf Onlinehändler ab einer bestimmten Umsatzgröße. Dadurch könne man den Strukturwandel in den Innenstädten entschleunigen.

Die Drogeriekette Rossmann nimmt nun als erster großer Handelskonzern in Deutschland den zusätzlich zur Mehrwertsteuersenkung gewährten Rabatt von 0,5 Prozentpunkten wieder zurück. In den bundesweit fast 2200 Filialen gewährt der zweitgrößte deutsche Drogist nur noch den von der Regierung beschlossenen Nachlass von 2,5 Prozent auf Drogeriewaren. Den Zusatzrabatt hatte Rossmann gegeben, um Missverständnissen vorzubeugen. Die Bundesregierung hatte den Mehrwertsteuersatz zum 1. Juli für sechs Monate von 19 auf 16 beziehungsweise von 7 auf 5 Prozentpunkte gesenkt. Rechnerisch entspricht das aber nur einem um 2,5 beziehungsweise 1,9 Prozent geringeren Preis. Die Regierung wollte mit der Maßnahme, deren Kosten auf 20 Milliarden Euro geschätzt wird, den Konsum ankurbeln.

Supermärkte sind in der Corona-Krise zu Konkurrenten für die Drogisten geworden

Rossmann hatte den Rabatt schon in der letzten Septemberwoche zurückgenommen, ohne dass dies Aufsehen erregt hätte. "Es ist kein Problem, etwas zurückzunehmen, was keiner wahrnimmt, uns aber viel Geld kostet", erklärt Raoul Roßmann. Der Rabatt hätte die Marge des Unternehmens in den verbleibenden drei Monaten um einen höheren einstelligen Millionenbetrag verringert.

Laut einer im August durchgeführten Umfrage des Handelsverbandes HDE meinen 85 Prozent der befragten Händler, dass das Steuergeschenk der Regierung verpuffe. In den einzelnen Industriezweigen wird die Wirkung unterschiedlich eingeschätzt. Im Modehandel ist der "Wumms", von dem Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach, demnach nicht angekommen; in der Möbelindustrie zum Teil schon. Bei Elektronik- und Hausgerätehändlern überwiegt die Skepsis; der Lebensmittelhandel hätte keine staatliche Unterstützung gebraucht. Und nach Einschätzung der Konjunkturexperten des Marktforschungsunternehmens GfK hat die Mehrwertsteuersenkung durchaus einen Beitrag zur raschen Erholung der Konsumstimmung in Deutschland geleistet. Supermärkte und Discounter sind laut der GfK in der Corona-Krise zu Konkurrenten für die Drogisten geworden. Aldi Süd erklärte auf Anfrage, weiterhin drei Prozent Preisnachlass geben zu wollen.

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