Herzog-Wilhelm-Straße:Zwiespältige Visionen

Herzog-Wilhelm-Straße: Platz für Gedankenspiele: Den sprechenden Titel "Bachgeflüster" trägt der Entwurf. Visualisierung: Tim Kohlschütter

Platz für Gedankenspiele: Den sprechenden Titel "Bachgeflüster" trägt der Entwurf. Visualisierung: Tim Kohlschütter

Eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der Herzog-Wilhelm-Straße zeigt einerseits deren enormes Potenzial mit Park und Bach auf. Andererseits weckt gerade der höhere Freizeitwert bei Anwohnern schlimme Befürchtungen

Von Julian Raff, Altstadt

Wenn es darum geht, hier in autofreiem Parkambiente am kühlen Bach auszuspannen, "müssen wir vielleicht gar nicht mehr von einer Vision sprechen", hielt Florian Hochstätter bei einer Podiumsdiskussion zur Zukunft der Herzog-Wilhelm-Straße fest, die den politischen Kern der jüngsten Aktionstage zum Thema bildete. Der Leiter der Abteilung Gartenbau im Baureferat stützt seinen Optimismus auf ein Grundsatzvotum des Stadtrats vom September 2019. Dass in nächster Zukunft konkrete Projektbeschlüsse folgen, wollte Hochstätter freilich ebenso wenig versprechen, wie Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Die Runde komplett machten der Vizevorsitzende des örtlichen Bezirksausschusses (BA 1), Wolfgang Püschel (SPD), und Corbinian Böhm, Vorsitzender der Künstlervereinigung BBK München/ Oberbayern. Auf dem Podium herrschte geduldiger Optimismus, dem sich allerdings Anwohnerbedenken entgegen stellten.

Ob der vor gut 140 Jahren in seinem vier Meter tiefen Bett eingemauerte westliche Stadtgrabenbach nun, wie es akademische Vorstudien skizzieren, als schmales Wasserband durch den Park mäandert oder zu Teichen aufgestaut wird, in jedem Fall gäbe die nach oben abzweigbare Wassermenge eher ein Zierbächlein her als eine neue Surferwelle oder das von Merk scherzhalber auf die Wunschliste gesetzte 1000-Meter-Schwimmbecken. Die Diskussion drehte sich denn auch eher um die verkehrstechnischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der City als um die Gestaltung eines Wasserlaufs.

Herzog-Wilhelm-Straße: Wolfgang Püsch schlägt vor, den Park bis zur Ecke Herzog-Wilhelm-/Herzogspitalstraße zu planen.

Wolfgang Püsch schlägt vor, den Park bis zur Ecke Herzog-Wilhelm-/Herzogspitalstraße zu planen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Potenzial der Herzog-Wilhelm-Straße für Erholungsflächen und Kinderspielplätze findet Hochstätter jedenfalls beispiellos in der Altstadt, immerhin sei der potenzielle Park mit gut 10 000 Quadratmetern anderthalbmal so groß wie der Marienplatz. Um den Verkehr für eine Planung "von Fassade zu Fassade" weitgehend aus der Straße zu bekommen, so Hochstätter, brauche es einerseits das große Konzept zur "autoreduzierten" Altstadt, nicht zur "autofreien", wie alle betonten. Dessen vorhersehbar schwere Geburt solle Stadtrat und Verwaltung andererseits nicht daran hindern, beim Park-Projekt dranzubleiben, am besten gleich in der großen Planvariante bis hinauf zur Herzogspitalstraße, wie sie BA-Vize Püschel mit breiter Zustimmung forderte. Ob unterdessen die Corona-Krise in der Altstadt generell und speziell im Hackenviertel ein Geschäftesterben auslöst oder mittelfristig eher zu bezahlbaren Ladenmieten führen könnte, beurteilten auch die anwesenden Stadträte unterschiedlich. Künstler-Sprecher Böhm regte jedenfalls an, eventuell leer stehende Schaufenster verstärkt den Kollegen zur Verfügung zu stellen.

Auf eher unerwünschte Weise belebt hat die Pandemie dagegen auch die Herzog-Wilhelm-Straße - vor allem in der zweiten Nachthälfte, wenn das Partyvolk hier Ersatz für die geschlossenen Clubs sucht. "Wenn ich höre, dass hier ein Bach kommen soll, schrillen bei mir die Alarmglocken", erklärte ein Anwohner, der beweiskräftige Handyvideos abspielte und befürchtet, die "kreischenden Horden" würden durch "lustige Wasserspiele" zusätzlich animiert. Vom aufgepeppten Freizeitwert eher bedroht und um ihre Ruhe gebracht fühlten sich mehrere Anlieger im Publikum. Vor allem der nächtliche Alkoholverkauf in der Agip-Tankstelle locke dabei die Feiernden von der Sonnenstraße herüber. Auch nervenstarke Citybewohner müssten nicht alles hinnehmen, findet Merk und brachte alternative, nachts ungenutzte Freiräume zum Feiern ins Gespräch, vom Rathaus-Innenhof bis zu leer stehenden Parkhaus-Etagen.

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