Großprojekt am Münchner Flughafen:Konzerthalle spaltet die Gemüter

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Auf Freisinger Flur könnte am Flughafen ein Kulturtempel für 20 000 Besucher entstehen. Die ÖDP kritisiert das Projekt aus Gründen des Klimaschutzes. Die SPD mahnt zu einem sachlichen Umgang mit dem Vorhaben.

Von Alexandra Vettori, Freising/Flughafen

Konzerte für 20 000 Besucher, Shows, Kongresse, all das hätte Platz im "Convention Center für die Metropolregion München", kurz MUCcc oder Event-Arena genannt, und das möglichst schon in fünf Jahren. So zumindest sehen die Pläne der Immobilienentwickler für ein Grundstück im Nordwesten des Flughafengeländes auf Freisinger Flur aus. Seit Anfang August erste Gerüchte umgingen und dann der Landtagsabgeordnete der Grünen, Johannes Becher, ein internes Dossier aus dem bayerischen Finanzministerium veröffentlichte, das er versehentlich in die Hände bekam, schlägt die Sache Wellen. Befürworter sehen Gewerbesteuer für Freising, einen Kulturtempel von Weltrang und Arbeitsplätze. Im chronisch vom Straßenverkehr verstopften Münchner Norden und Osten aber haben auch die Gegner gute Argumente.

Zu den Kritikern des Projekts, zu dem ein Hotel und Parkhaus geplant sind, gehört die Freisinger ÖDP. Am Mittwoch veranstaltete die Ortsgruppe ein Bürgergespräch dazu. Dabei kündigte der ÖDP-Stadtrat Ulrich Vogl einen Antrag an. Darin wolle man an den im Januar vom Stadtrat beschlossenen Klimanotstand erinnern. Eine der wesentlichen Maßgaben sei, dass der CO₂-Ausstoß bei Bau und Folgebetrieb neuer Projekte in die Kosten-Nutzen-Rechnung einbezogen werden müsse. "Dann wird man sehen", so Vogl, "was der Beschluss zum Klimanotstand Wert ist."

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Wie mehrfach berichtet, plant ein Konsortium ein Kultur- und Kongresszentrum auf einem Areal, das dem Flughafen gehört. Als erste Kostenschätzung stehen 200 Millionen Euro im Raum. Projektentwickler sind die SW Munich Real Estate GmbH, Logo Partners GmbH, beide aus Freising, sowie die KGAL GmbH & Co KG aus Grünwald. Wie der Geschäftsführer der SW Munich Real Estate, Lorenz Schmid, im Gespräch mit der SZ erklärte, verfüge die Metropolregion München zwar über Hallen im kleineren und mittelgroßen Segment, nicht jedoch über eine für große Veranstaltungen. Dass die Event-Arena am Flughafen eine existenzbedrohende Konkurrenz für die Münchner Olympiahalle werde, glaubt er nicht: "Jeder wird sein eigenes Segment haben", das zeige das Beispiel anderer Städte wie Berlin, Hamburg und Köln.

Andere Kommunen haben sich schon als Interessenten gemeldet

Im Gegensatz zur Geschäftsführerin der Olympiahalle beruft sich Schmid auf Studien und beharrt darauf: "Es gibt einen Bedarf." Dazu kommt, dass den Entwicklern kein Zweckbau vorschwebt, sondern ein "Premiumobjekt" von architektonischem Belang. Wie Schmid betont, hätten sich nach dem Bekanntwerden der Pläne inzwischen schon andere Kommunen aus dem Speckgürtel von München als Interessenten gemeldet. Er selbst finde als Freisinger trotz der baurechtlichen Hürden im "Vorranggebiet Flughafen", wo eigentlich nur Flughafen-Affines erlaubt ist, den bisher ins Auge gefassten Standort nach wie vor ideal: Hier gebe es ein Fernwärmenetz, einen S-Bahnhalt und Parkplätze, dazu denkt man über einen Busbahnhof nach.

Von der oft gelobten öffentlichen Verkehrsanbindung hält der Freisinger ÖDP-Stadtrat Ulrich Vogl allerdings wenig: Genau genommen halte gerade mal die Buslinie 635 am Standort. Der Bus zum Freisinger Bahnhof verkehre alle 20 Minuten und habe 60 Sitzplätze, betont er. Und der S-Bahnhalt Besucherpark sei gut zwei Kilometer Fußweg entfernt, "das entspricht der Entfernung von Weihenstephan zum Landratsamt". Für Vogl ist klar: "Im Prinzip komme ich da nur mit dem Auto hin." Auch von dem Argument, mit der Flughafen-Event-Arena bekäme Freising quasi zum Nulltarif das erwünschte Kongresszentrum, hält Ulrich Vogl nicht viel. "Da", sagt er, "wäre vielleicht eher der Weihenstephaner Campus passender, und vielleicht ein, zwei Nummern kleiner."

Derweil hat auch die Freisinger SPD-Fraktion noch vor der ersten öffentlichen Behandlung im Stadtrat eine Stellungnahme veröffentlicht. Darin betont man, das unfreiwillig veröffentlichte Dossier sei kein "Enthüllungspapier", sondern eine "nüchtern gehaltene Zusammenstellung von Sachinformationen, Optionen und Einschätzungen", bei denen die Probleme ungeschminkt angesprochen würden. Die SPD plädiert deshalb für einen sachlichen Umgang mit dem Thema. Es spiele auch eine wichtige Rolle, dass die Flughafen München Gesellschaft "alles andere als euphorisch darauf reagiert hat" und die Arena nur "geringe positive Auswirkungen auf das Passagieraufkommen" erwarten lasse. Die SPD-Stadtratsfraktion sieht in ihr jedenfalls ein "hochinteressantes Projekt", das nicht verteufelt werden sollte, "sondern aufgeschlossen und unvoreingenommen und gleichzeitig unnachgiebig kritisch" betrachtet.

© SZ vom 12.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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