Regensburg:Innovativ durch die Vergangenheit

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In der Bavariathek können eigene Filme, Podcasts oder auch virtuelle Ausstellungen erschaffen werden.

(Foto: Stefan Effenhauser/Altrofoto)

Die Bavariathek versteht sich als digitale Bildungswerkstatt für bayerische Geschichte, die sich an Schulen, Universitäten und die Erwachsenenbildung wendet.

Von Hans Kratzer, Regensburg

Nicht nur für Richard Loibl, den Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, ist dieses Projekt "einzigartig in Europa". Gut 16 Monate nach der Eröffnung des Museums der Bayerischen Geschichte in Regensburg ist am Montag die direkt an den Museumskomplex angeschlossene Bavariathek eröffnet worden. Sie zählte von Anfang an zu den Grundpfeilern des Projekts Bayernmuseum. Allerdings machte ein Brand auf der Baustelle den Betreibern einen dicken Strich durch die Rechnung. Die ursprünglich geplante Eröffnung musste um sieben (Museum) beziehungsweise um 16 Monate (Bavariathek) verschoben werden. Umso begeisterter pries Wissenschaftsminister Bernd Sibler das neue Lernzentrum bei der Eröffnung am Montag als "über die Grenzen Bayerns hinaus strahlendes Leuchtturmprojekt zur Förderung der Medienkompetenz unserer Kinder und Jugendlichen".

Die Fertigstellung des Baus kostete allerdings jede Menge Zeit und Nerven. Im Sommer 2017 war in dem bereits fertiggestellten Gebäude der Bavariathek vermutlich durch Brandstiftung ein Feuer ausgebrochen, das einen Millionenschaden anrichtete. Eigentlich stand bis dahin der termingerechten Fertigstellung und Eröffnung des Museums nichts mehr im Weg. Das Brandunglück aber machte alle Pläne zunichte. Loibl nannte das Ausmaß der Schäden damals "verheerend". Das Schlimmste war der giftige Rauch. Das bezugsfertige Gebäude der Bavariathek musste bis auf den Rohbau zurückgebaut werden. Neben der Fassade wurden auch alle Fenster erneuert, da sich das Gift überall abgesetzt hatte. Die Eröffnung der Bavariathek hat sich damit um einen langen Zeitraum verzögert. Zum Glück kamen bei dem Brand keine Menschen zu Schaden.

Dass nun auch noch die Corona-Krise dazwischengekommen ist, ficht Richard Loibl nicht an. "Wir steigen jetzt trotzdem langsam ein und wollen ein Signal setzen, dass hier jeder gut aufgehoben ist." Moderne Lüftungstechnik und große Räume bieten ideale Voraussetzungen, um auch in Corona-Zeiten alle Abstands- und Hygieneregelungen einhalten zu können.

Das Angebot der Bavariathek richtet sich in erster Linie an Schulklassen sowie an Einrichtungen von Universitäten und Erwachsenenbildung. Die Benutzer verfügen in dieser "digitalen Bildungswerkstatt" über die beste technische Ausstattung, die zurzeit möglich ist, vom Greenscreen über Schnittplätze bis zur Sprecherkabine. Es ist an Geräten alles vorhanden, um eigene Filme, Podcasts und virtuelle Ausstellungen zu erstellen. Junge Menschen können hier also bequem lernen, wie sie mit historischen Themen und Informationen umgehen sollen, was eine kritische Recherche ausmacht und wie sie die Ergebnisse ihres Forschens digital anwenden und präsentieren können. Wobei der Schwerpunkt auf der Verbindung von Medienpädagogik und bayerischer Geschichte liegt. Wie kurzweilig diese Tätigkeit gerät, erlebten die Journalisten am Montag selber. Selbst erfahrene und kaum noch zu beeindruckende Kolleginnen und Kollegen bastelten mit Begeisterung und hochmoderner Software am Computer professionell wirkende Bayernplakate.

Richard Loibl machte die Zielsetzung des kritischen Umgangs mit Bildquellen am Beispiel der Trümmerfrauen deutlich. Ausgangspunkt ist die Frage: Stimmt das, was uns die Bilder sagen, mit der Wirklichkeit überein? Dazu bedarf es der genauen Analyse der Fotografien, die zwar manipuliert sein könnten, aber dennoch diesen Mythos nachhaltig transportieren. Es passte von der Erzählung her gut in die Nachkriegszeit. Trotzdem: "Das Enttrümmern der Städte, etwa von Augsburg, war ohne technische Hilfsmittel in so kurzer Zeit unmöglich", sagt Loibl. "Deshalb muss man da genau hinschauen."

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Das Gebäude der Bavariathek war bereits fertiggestellt, als dort im Sommer 2017 ein Feuer ausbrach.

(Foto: Uwe Moosburger/Altrofoto)

Die Angebote der Bavariathek richten sich an alle Jahrgangsstufen und Schularten. Einzelbenützer müssen aber nicht draußen bleiben. Sie können unter anderem im Bildarchiv des Hauses der Bayerischen Geschichte recherchieren, das Hunderttausende Fotografien, Postkarten und Plakate beinhaltet. Zu dem riesigen Angebot gehören auch die gefilmten Zeitzeugeninterviews, der größte Bestand dieser Art in Deutschland. Diese Streifen bieten faszinierende Ein- und Seitenblicke in die Geschichte, wie jenes 1990 aufgenommene Gespräch mit dem Historiker Karl Bosl, der dort wortmächtig erklärt, wie er in der Zeit der 68er-Unruhen radikale Studenten in seiner Vorlesung mit gutem Ende zu Wort kommen ließ - unter der Voraussetzung freilich, dass sie danach auch ihm zuhören mussten.

Das Haus der Bayerischen Geschichte bietet bayerischen Schulklassen für den Besuch des Museums und der Bavariathek eine anteilige Fahrtkostenerstattung an. Die Teilnahme an den Programmen und Projekten der Bavariathek ist kostenlos. Außerdem genießen Schülerinnen und Schüler ebenso wie begleitende Lehrkräfte freien Eintritt in die Dauerausstellung des Museums.

Trotz der Corona-Krise legt das Museum der Bayerischen Geschichte nach wie vor eindrucksvolle Zahlen vor. Seit der Eröffnung im Juni 2019 wurden 660 000 Besucher gezählt, allein in diesem Jahr waren es 130 000. Und das, obwohl kaum Touristen und kaum Schulklassen darunter waren, die normalerweise zu den stärksten Besuchergruppen zählen. Dass auch die Bavariathek ein Erfolg wird, davon ist Richard Loibl fest überzeugt. "Schulen finden bei uns ein bisher nicht gekanntes medienpädagogisches Angebot mit modernster technischer Ausstattung, das sie begeistern wird." (www.bavariathek.bayern)

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