Bundestag:Ausschuss startet im Streit

Wer hat den AfD-Abgeordneten Kay Gottschalk zum Chefaufklärer Wirecard gemacht?

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Der U-Ausschuss zum Betrugsskandal Wirecard ist exakt so gestartet, wie es sich die um einige Milliarden Euro betrogenen Anleger nicht vorgestellt haben: mit einem politischen Eklat. Er dreht sich darum, ob die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe dem AfD-Abgeordneten Kay Gottschalk in den Vorsitz verholfen hat. Kitziltepe sitzt in dem Ausschuss, war aber bei der konstituierenden Sitzung am vergangenen Donnerstag, als der Vorsitzende bestimmt werden sollte, zunächst nicht anwesend. Sie ließ sich just dann vertreten, als darüber entschieden wurde, ob Kay Gottschalk den Vorsitz übernehmen sollte.

Das Ergebnis ist bekannt: Von neun Mitgliedern des Ausschusses stimmten fünf in geheimer Wahl für Gottschalk, vier dagegen. Seither wird gestritten, welche Stimme die entscheidende war. Und, wie gut ein Ausschuss aufklären kann, der wegen eines AfD-Vorsitzenden leicht angreifbar ist.

Nun ist eine geheime Wahl ja geheim. Wegen des Streits aber haben sich einige Abgeordnete geoutet. Wie der Grüne Danyal Bayaz: "Ein Kandidat, der in der Vergangenheit zum Boykott türkischer Läden aufgerufen hat, ist für mich nicht geeignet für dieses politische Amt". Dem FDP-Abgeordnete Florian Toncar war "die Verbindung der AfD zur rechtsextremen FPÖ, zu der wiederum mindestens Marsalek enge Verbindungen unterhielt", zuwider. Linkenfraktionsvize Fabio De Masi votierte gegen Gottschalk - um uneingeschränkt arbeiten zu können. "Meine Sorge ist die Reputation des Ausschusses. Nichts wäre bequemer für die große Koalition um den Wirecard-Ausschuss zu diskreditieren, als der Vorsitz aus dem politischen Umfeld von Marsalek".

Für die vierte Nein-Stimme gibt es Indizien. Nach Ansicht von Ausschussmitgliedern spricht einiges dafür, dass sie von Hans Michelbach gekommen ist, einem direkt gewählten CSU-Abgeordneten. Michelbach war zuletzt durch ernsthaftes Aufklärerinteresse und eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber der Fraktionsführung aufgefallen. Sie hatte ihn dennoch als Vize-Chef des Ausschusses nominiert. Wäre Gottschalk aber nicht gewählt worden, hätte Michelbach die Aufklärung geleitet, was der Fraktionsführung einiges Kopfweh hätte bereiten können. Michelbach schweigt sich aus zur Wahl. Geheim bleibt geheim, richtet sein Sprecher aus.

In jedem Fall sind vier der fünf Stimmen für Gottschalk von Union und SPD gekommen. Wäre Kiziltepe im Raum gewesen, hätte es mindestens eine Nein-Stimme von der SPD gegeben. "Ich hätte mein Kreuz nicht bei Herrn Gottschalk gemacht. Ich wähle grundsätzlich keine AfD-Politiker", sagt sie. Was natürlich die Frage aufwirft, warum sie dann nicht da war, obwohl De Masi angekündigt hatte, in geheimer Wahl über Gottschalk abstimmen zu lassen. "Ich hatte Geburtstag, war mittags mit meiner Familie unterwegs".

Was auch verwundert. Denn die Fraktionsführungen von Union und SPD hatten intern für die Wahl Gottschalks geworben. Der AfD stehe der Vorsitz zu, hieß es, man wolle nach dem Ärger in anderen Ausschüssen keinen weiteren. Die Opposition fügt einen Grund an: Union und SPD haben verhindern wollen, dass Michelbach den Ausschuss leite. Direkt nach der Wahl des AfD-Abgeordneten habe Kiziltepe den Sitzungsraum betreten, berichten Abgeordnete. "Dieses Manöver war am Ende der entscheidende Zug". Die SPD im Bundestag weist die Leseart zurück.

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