Steuerskandal:Cum-Ex-Prozess wegen Corona vertagt

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Nach Erkenntnissen der Behörden haben Banken und andere Finanzfirmen mit Hilfe von Steueranwälten den Fiskus jahrelang systematisch ausgenommen. (Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Die steigenden Infektionszahlen machen der Justiz zu schaffen: Im Cum-Ex-Steuerskandal verschiebt das Landgericht Wiesbaden einen Prozess auf das nächste Jahr.

Von Klaus Ott, München/Wiesbaden

Es sollte der zweite große Prozess in einem der größten deutschen Steuerskandale mit Namen Cum-Ex werden. Vom 20. Oktober an wollte das Landgericht Wiesbaden gegen sechs Beschuldigte verhandeln, die den Fiskus um mehr als 100 Millionen Euro betrogen oder dabei geholfen haben sollen. Doch die Corana-Pandemie mit den ständig steigenden Infektionszahlen verhindert den Prozessauftakt.

Das Landgericht Wiesbaden verschiebt das Verfahren wegen der aktuellen Lage auf Ende Januar 2021. Das geschehe zum Schutze der Angeklagten, Anwälte, Staatsanwälte und Richter, der übrigen Justizbeschäftigten sowie der Zuschauer und Journalisten, teilte das Gericht am Montag den Verfahrensbeteiligten mit.

Der Prozess soll nunmehr am 28. Januar 2021 und dann mit weiteren Terminen im Januar und Februar zügig fortgesetzt werden. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Das Corona-Virus verbreitet sich im Winterhalbjahr viel leichter aus im Sommer.

Gesamtschaden für den Fiskus soll mehr als zehn Milliarden Euro betragen

Angeklagte beim Landgericht sind in diesem Verfahren zwei frühere Beschäftigte der Hypo-Vereinsbank, zwei britische Börsenhändler und der Steueranwalt Hanno Berger, der sich in die Schweiz abgesetzt hat. Berger, der alle Vorwürfe bestreitet, gilt als eine der Schlüsselfiguren in dem Steuerskandal.

Nach Erkenntnissen der Behörden haben Banken und andere Finanzfirmen mit Hilfe von Steueranwälten den Fiskus beim Handel von Aktien (Cum) mit und ohne (Ex) Dividende jahrelang systematisch ausgenommen. Die Banken und ihre Partner ließen sich demnach eine nur einmal gezahlte Steuer auf die Dividenden von den trickreich getäuschten Finanzbehörden mehrmals erstatten. Der Gesamtschaden für den deutschen Fiskus soll mehr als zehn Milliarden Euro betragen.

Das Landgericht Bonn hat solche Geschäfte im März 2020 in einem ersten Strafprozess als kriminell verurteilt. Die beiden Angeklagten, zwei britische Börsenhändler, kamen aber mit Bewährung davon. Sie hatten den Ermittlern als Kronzeugen geholfen, viele Cum-Ex-Geschäfte aufzudecken.

Es handelt sich um dieselben Börsenhändler, gegen die wegen weiterer mutmaßlicher Taten nun auch in Wiesbaden verhandelt werden soll, obwohl sie schon in Bonn vor Gericht standen. Der Prozess steht ohnehin unter ungünstigen Vorzeichen. Steueranwalt Berger hat dem Landgericht Wiesbaden mitgeteilt, er sei krank und könne nicht kommen.

Der in diesem Verfahren ursprüngliche sechste Angeklagte, der frühere Investmentbanker Paul Mora, hat dem Gericht ebenfalls bereits eine Absage geschickt. Der Neuseeländer will nicht nach Europa reisen, um am Verfahren teilzunehmen. Mora bestreitet ebenso wie Berger alle Vorwürfe.

Ohne Berger und Mora, dafür aber mit zwei Angeklagten, die schon einmal umfassend ausgesagt und reinen Tisch gemacht haben, würde der Prozess in Wiesbaden sowieso nicht mehr zu einem großen neuen Erkenntnisgewinn in Sachen Cum-Ex führen. Die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ist bereits mehr als drei Jahre alt. So lange hatte das Landgericht Wiesbaden gebraucht, um über die Zulassung der Anklage zu entscheiden und einen Prozess anzusetzen. Beim Landgericht Bonn war das alles viel schneller gegangen.

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