Verkehrssicherheit:Mit voller Wucht

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Unfälle mit Lastwagen verlaufen besonders häufig tödlich. Deshalb verstärkt der Freistaat seine Lkw-Kontrollen. Bei Grasbrunn sitzt Innenminister Herrmann selbst im Polizeiauto.

Von Sabine Wejsada, Grasbrunn

Es ist eher unwahrscheinlich, dass Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) Bußgeldbescheide persönlich unterzeichnet. Und auch das Schreiben für jenen Lastwagenfahrer, der den Sicherheitsabstand von mindestens 50 Metern zum Vordermann missachtet hat, wird wohl nicht der oberste Dienstherr der Polizei im Freistaat in die Post geben, obwohl er den Verstoß höchstselbst im Kontrollwagen an einem der vier Monitore beobachtet und dokumentiert hat.

Das eigens für diese Zwecke mit moderner Technik ausgestattete Fahrzeug der Autobahnpolizei steht an diesem Mittwoch direkt neben dem Autobahnring A99 auf Höhe der Gemeinde Grasbrunn. Auf dem Parkplatz sind seit acht Uhr in der Früh zahlreiche Beamte der nahen Autobahnpolizei Hohenbrunn und des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord in Ingolstadt sowie Mitarbeiter des Zolls aus München im Einsatz, um dem Schwerlastverkehr zu überprüfen und Verstöße zu ahnden. Mittags dann erhalten sie Unterstützung von ihrem Chef aus dem bayerischen Innenministerium.

Die Kontrollstelle an der A99 im Landkreis München ist Teil der an diesem Tag in ganz Europa stattfindenden Überwachung des Schwerverkehrs. Ziel der Aktion von Roadpol, dem europäischen Verkehrspolizei-Netzwerk, ist es, die Zahl der Unfälle mit Brummis zu senken. Kontrolliert werden dabei nicht nur die Einhaltung des Sicherheitsabstands und der Lenkzeiten, sondern auch die Fahrtüchtigkeit von Fahrer und Gefährt sowie das Gewicht und die Sicherung der Ladung.

Wie wichtig solche Aktionen wie die bei Grasbrunn sind, belegt der Innenminister mit Zahlen: So habe es allein in Bayern im vergangenen Jahr fast 17 500 Unfälle gegeben, an denen Lastwagen beteiligt waren, sagt Herrmann, während der Verkehr auf der nahen Autobahn vorbeirauscht. Insgesamt 111 Menschen verloren bei den Crashs ihr Leben, mehr als 5110 wurden verletzt.

Knapp drei Viertel dieser Unfälle seien von den Lastwagenfahrern verursacht worden. Meist seien es Fehler beim Abbiegen, so der Innenminister, der fehlende Sicherheitsabstand zum Vordermann, Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot, aber auch zu hohes Tempo, eine schlecht gesicherte Ladung oder die Übermüdung des Fahrers. In 134 Fällen standen die Lkw-Lenker unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen Rauschmitteln; dabei wurden 90 Menschen verletzt und vier getötet.

Wegen der weitreichenden Beschränkungen in Corona-Zeiten hätten die Lkw-Unfälle im ersten Halbjahr 2020 zwar um ein Viertel abgenommen, allerdings seien dabei bereits 58 Tote zu beklagen - acht mehr als im Vorjahreszeitraum, so Herrmann. Gemessen an der Gesamtzahl von 162 230 Verkehrsunfällen in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres mache der Schwerverkehr zwar nur rund vier Prozent aus.

Aber: Unfälle mit Lastwagen verlaufen häufiger tödlich. Von den im vergangenen Jahr bei den gesamten Unfällen ums Leben gekommenen 224 Personen seien gut 26 Prozent gestorben, weil ein Lastwagen verwickelt gewesen sei. "Allein schon die Wucht, mit der ein Lkw zum Beispiel ungebremst auf einen anderen Wagen auffährt, macht es so gefährlich", so Herrmann.

Deshalb hat der Freistaat seine Lkw-Kontrollen in der Vergangenheit intensiviert und will dies weiter tun, wie Herrmann ankündigte. So sollen die bestehenden Kontrollstellen an der A8 im Landkreis Rosenheim und an der A9 bei Pfaffenhofen um eine weitere bei Fahrenzhausen im Kreis Freising ergänzt werden.

Allein auf der A99 hat es 2019 mehr als 1900 Mal unter Beteiligung von Lastwagen gekracht, wie Günther Gietl, Chef des zuständigen Polizeipräsidiums Oberbayern Nord, bilanziert. Im Corona-Jahr sind bislang 300 Unfälle gezählt worden - kein einziger davon glücklicherweise mit tödlichem Ausgang. Für die Lkw-Kontrollen ist in diesem Bereich die Autobahnpolizeidirektion in Hohenbrunn zuständig. Bislang 38 Mal sind die Beamten heuer bereits ausgerückt und haben dabei laut Dienststellenleiter Richard Kutscherauer insgesamt 1360 Lastwagen rausgewunken.

Am Mittwochvormittag hält sich die Zahl der Beanstandungen im Rahmen. Verstöße gibt es jedoch vor allem beim Sicherheitsabstand. Wer die 50 Meter unterschreitet, muss zahlen. Weil das viele Fahrer aus Osteuropa sind, die auf der A99, einer der Haupttransitstrecken Europas, unterwegs sind, klingelt gleich an Ort und Stelle die Kasse: Hinterlegt werden müssen 108,50 Euro als Sicherheitsleistung, um weiterfahren zu können. Die Halter einheimischer Brummis werden nach einem Verstoß über die Kennzeichen-Erfassung ermittelt und bekommen dann Post von der Polizei.

© SZ vom 15.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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