Profil:Roman Haller

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(Foto: Jens Meyer/AFP)

Chef der Claims Conference, erfolgreich gegen Facebook.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Sein Appell und das Video über sein Leben dauern nicht länger als eine Minute und 19 Sekunden: "Mister Zuckerberg, mein Name ist Roman Haller, ich lebe in München, Deutschland. Meine Eltern überlebten die Schoah zusammen mit zwölf anderen Juden in einem Versteck in den Wäldern in der heutigen Ukraine. Dort wurde ich am Ende des Krieges geboren." In nüchternem Ton erzählt Roman Haller, dass die Gruppe kurz vor seiner Geburt diskutiert habe, ob er nicht erdrosselt werden sollte. Denn ein weinendes Baby stellte in einem Versteck eine Gefahr dar. "Man tat es Gott sei Dank nicht."

Botschaften wie die von Haller waren es, die den Kommunikationskonzern Facebook zu einer Änderung der Unternehmenspolitik veranlassten. Inhalte, die den Holocaust leugnen oder verharmlosen, werden jetzt verboten. Die Richtlinien für Hassreden würden ergänzt, teilte das von Mark Zuckerberg gegründete Unternehmen vergangene Woche mit. Twitter zog nach und will nun ebenfalls gegen Holocaust-Leugnung vorgehen.

Orchestriert wurde die Ende Juli gestartete Aktion von der Claims Conference, die 1951 von 23 großen internationalen jüdischen Organisationen gegründet wurde. Die Organisation fordert die Rückgabe von jüdischem Eigentum, das während der NS-Zeit gestohlen wurde. Haller ist seit 2006 Direktor der Organisation an ihrem Frankfurter Sitz.

Wo und wann er genau geboren ist, weiß Haller nicht: Zwischen dem 7. und 9. Mai 1944 in den Wäldern bei Ternopol, das heute in der Ukraine liegt. Zwölf Juden hielten sich dort monatelang versteckt. Versorgt wurden sie vom Wehrmachtsmajor Eduard Rügemer und seiner polnischen Haushälterin Irena Gut, die die Gruppe zuvor in der Villa des NS-Funktionärs untergebracht hatten.

Nach der Befreiung durch die Rote Armee wollten Hallers Eltern in die USA auswandern. Sie gingen deshalb in die amerikanische Zone nach Deutschland und kamen in einem Lager für Displaced Persons in Freimann unter. Doch die Genehmigung für das US-Visum zog sich, und die Familie begann, sich in München einzurichten. Hallers Eltern suchten in den ersten Nachkriegsjahren nach ihren Rettern. Den ehemaligen Major entdeckten sie in Nürnberg. Er hatte Ärger mit seiner Familie, und so luden sie ihn ein, nach München zu kommen. Für das jüdische Kind wurde der ehemalige Wehrmachtsoldat bis zu dessen Tod 1955 zum Ersatz-Großvater. Roman Haller nannte ihn "Zeide", das jiddische Wort für Opa.

Irena Gut war in die USA ausgewandert und trug nach ihrer Heirat den Namen Gut-Opdyke. Ihrer Familie in Kalifornien erzählte sie erst von der Rettungsaktion, nachdem sie 1972 im Rahmen einer Umfrage gefragt worden war, ob der Holocaust tatsächlich stattgefunden habe. Das empörte sie, ein Rabbiner suchte dann in ihrem Auftrag die Familie Haller. In München und in einer amerikanischen TV-Show, zu der Haller als Überraschungsgast eingeladen wurde, gab es ein Wiedersehen. Guts Lebensgeschichte wurde als Broadway-Stück mit dem Titel "Irenas Vow" (Irenes Gelöbnis) gezeigt.

Seine Kindheitserinnerungen hat Haller in dem Buch "Davidstern und Lederhose" veröffentlicht. Aber er hat Schwierigkeiten, Deutschland als seine Heimat zu bezeichnen. "Ich fühle mich als Bayer, als Münchner sowieso, ich habe aber auch eine starke jüdische Identität." Ihn alarmieren die antisemitischen Vorfälle und die Angriffe auf Synagogen in Deutschland. Er befürchtet, dass es wieder "eine Art von Holocaust" geben könnte. "Alle Befürchtungen sind eingetreten. Es schaukelt sich gerade eine Stimmung hoch. Es ist eine Gemengelage, die mir Angst macht." Mit seiner Lebensgeschichte kämpft er gegen Antisemitismus und Holocaust-Leugnung. Nun ist Haller "zufrieden", dass Facebook und Twitter den Appell erhört haben und "die Opfer ein klein wenig von ihrer Würde zurückbekommen".

© SZ vom 19.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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