"Swipe+Ride":MVV testet ein neues E-Ticket

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In den meisten Zügen der S-Bahn München gibt es jetzt kostenloses Wlan. (Foto: Robert Haas/Robert Haas)

Was der Tarif kostet, hängt davon ab, wie weit das Ziel per Luftlinie entfernt ist. Für Gelegenheitsfahrer lohnt sich "Swipe+Ride". Doch es gibt einen Haken.

Von Andreas Schubert

Ein Wisch nach rechts beim Losfahren, ein Wisch nach links beim Aussteigen: Der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) treibt die Digitalisierung weiter voran. Während der nächsten zwei Jahre testet der MVV einen neuen elektronischen Tarif, bei dem die Fahrt über das Smartphone nach Entfernung abgerechnet wird. Ziel des Ganzen ist es, noch mehr Menschen zum Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr zu bewegen. Bewährt sich das Modell, könnte es laut Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) irgendwann ein bayernweiteres E-Ticket geben. Der Clou bei der Sache: Ausschlaggebend für die Berechnung des Preises ist, wie weit das Ziel per Luftlinie vom Start entfernt ist.

"Swipe+Ride" nennt sich das Pilotprojekt, an dem zunächst 10 000 Fahrgäste teilnehmen können. Der Tarif ist vor allem für gelegentliche MVV-Nutzer gedacht, für Vielfahrer lohnt sich weiterhin das Abo. Dennoch werden viele Fahrten im Kilometertarif günstiger. Der reguläre Grundpreis pro Fahrt beträgt 1,10 Euro, dann werden pro angefangenem Kilometer Luftlinie noch einmal 30 Cent fällig. Dieser Preis fällt an, wenn sowohl Start- als auch Zielhaltestelle häufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln angefahren werden. Wer zum Beispiel vier Kilometer weit vom Ostbahnhof zum Hauptbahnhof mit der S-Bahn fährt, zahlt also 2,30 Euro statt 3,30 Euro für ein Einzelticket. Wer an einer Haltestelle ein- oder aussteigt, an der nicht so häufig Busse oder Züge fahren, zahlt einen ermäßigten Grundpreis von einem Euro und nur 20 Cent pro Kilometer.

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Fahrten innerhalb des MVV über weitere Strecken können dagegen mit einem normalen Einzelticket etwas günstiger ausfallen. Eine Fahrt von Freising nach Oberschleißheim etwa kostet mit einem regulären Einzelticket für drei Zonen fünf Euro, der Kilometertarif kostet dagegen 20 Cent mehr. Allerdings - und das hebt MVV-Chef Bernd Rosenbusch besonders hervor - muss sich der Fahrgast mit dem neuen E-Ticket nicht erst lange mit Zonen und den anfallenden Preisen auseinandersetzen. Der E-Tarif sei ein einfacher Einstieg ins System für Leute, die sich nicht so gut auskennen, sagt Rosenbusch.

Ein weiterer Vorteil des E-Tarifs ist eine Deckelung der Kosten. Egal wie viele Fahrten ein Kunde an einem Tag unternimmt, werden ihm für diesen Tag maximal 7,90 Euro berechnet, sofern keine Fahrt weiter als 20 Kilometer Luftlinie ging. War mindestens eine Fahrt weiter als 20 Kilometer Luftlinie, kostet es 11,90 Euro. Nach vier Fahrten in einem Kalendermonat bekommen die Kundinnen und Kunden eine Gutschrift in Höhe von zehn Prozent des monatlichen Rechnungsbetrages, verrechnet wird dies im Folgemonat.

Wer an dem Pilotprojekt teilnehmen möchte, registriert sich einmalig unter www.swipe-ride.de, erhält einen Zugangscode per E-Mail und lädt sich dann die kostenlose "FTQ Lab-App" auf das Smartphone. Die von dem Schweizer Start-up Fairtiq angebotene App funktioniert auf den Betriebssystemen iOS ab Version 10.0 und Android ab Version 5.0. Nach dem Öffnen der App wischt der Kunde vor dem Antritt jeder Fahrt im ÖPNV von links nach rechts über den Bildschirm seines Smartphones. Die Ortungsdienste müssen dabei eingeschaltet sein. Eine vorherige Anmeldung mit einer PIN ist nicht vorgesehen, nach Auskunft von Fairtiq ist dies nicht notwendig, da Smartphones in der Regel ohnehin über einen Zugangsschutz verfügen.

Mit dem "Swipen", also dem Wischen, befindet sich die gültige Fahrtberechtigung auf dem Smartphone des Kunden. Bei einer Kontrolle zeigt er oder sie einfach den Barcode in der App vor. Wer umsteigt, muss dabei nicht eigens aus- und wieder einchecken, sondern fährt einfach mit einem anderen Verkehrsmittel weiter. Am Ziel wischt der Fahrgast dann einfach zurück von rechts nach links, um auszuchecken. Man bekommt direkt den Preis der Fahrt angezeigt, eine Abrechnung erfolgt automatisch am Ende des Tages über das hinterlegte Zahlungsmittel. Wer vergisst, auszuchecken, muss nicht automatisch den vollen Tagespreis zahlen. Laut MVV-Chef Rosenbusch erkennt die App von selbst, ob jemand ausgestiegen ist und zu Fuß weitergeht.

Das Pilotprojekt wird von der Marktforschung begleitet. Kunden können sich untereinander austauschen und an Befragungen teilnehmen. Für die Teilnehmer gelten vorerst allerdings noch ein paar Einschränkungen. Sie müssen mindestens 18 Jahre als sein und über eine Kreditkarte verfügen. Und natürlich sollte ein Handy-Empfang vorhanden sein. Das ist selbst in München und Umgebung noch heute nicht überall der Fall.

© SZ vom 21.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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