Altstadt:Triste Aussichten

Leere Straßen und Plätze in München in Zeiten der Corona-Krise, 2020

Ganz so leer wie zum Lockdown im März ist die Fußgängerzone nicht mehr, aber es kommen zu Corona-Zeiten deutlich weniger Menschen zum Einkaufen in die Innenstadt. Viele Geschäfte kämpfen ums Überleben. Ein verkaufsoffener Sonntag im November könnte helfen, die Kassen ein bisschen zu füllen.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Soll am 29. November ein verkaufsoffener Sonntag stattfinden, um vorweihnachtliche Kundenströme zu entzerren und dem Einzelhandel zu helfen? Die Debatte im Bezirksausschuss ist kontrovers, eine Mehrheit stimmt dafür

Von Nicole Graner, Altstadt

Die Fußgängerzone ist schon lange nicht mehr so voll wie gewöhnlich. Wegen Corona und der notwendigen Hygienemaßnahmen kommen viel weniger Menschen in die Innenstadt - und sie kaufen auch weniger ein. Der Einzelhandel beklagt drastische Umsatzeinbußen. Aus diesem Grund hatte die Fraktion Grüne/Rosa Liste kürzlich im Stadtrat für die Vorweihnachtszeit einen Antrag auf zwei verkaufsoffene Sonntage gestellt, um den Einkauf vor Ort zu stärken und die wirtschaftliche Situation der Geschäfte zu verbessern. Das ist, wie das Kreisverwaltungsreferat dem Stadtrat mitgeteilt hat, aber nicht möglich: Nur noch ein Sonntag komme aus Termingründen in Frage - und zwar der 29. November, der erste Sonntag im Advent.

Auf Bitten der Stadt hatte der Bezirksausschuss (BA) Altstadt-Lehel am Dienstag schnell darüber abzustimmen, ob er diesem Termin und damit einem verkaufsoffenen Sonntag überhaupt zustimmt. Ist der Ruhetag nicht den Familien vorbehalten und eine wichtige Erholungsphase? Gerade in Corona-Zeiten. Kann ein Tag die wirtschaftliche Situation des Einzelhandels überhaupt verbessern? Die SPD im BA, machte, ähnlich wie die Kollegen im Stadtrat, klar deutlich: Ein verkaufsoffener Sonntag sichere keine Arbeitsplätze, und es werde mit diesem Antrag die Erholungszeit für Familien "gekappt", erklärte Wolfgang Püschel (SPD). Wer käme für die Kosten auf, weil Kitas öffnen müssten, um die Kinderbetreuung für die arbeitenden Erwachsenen zu sichern? "Es braucht hier durchdachte Konzepte und keinen Schnellschuss", sagte der stellvertretende BA-Vorsitzende Püschel. Aus sozialpolitischen Gründen könne es daher aus SPD-Sicht keinen verkaufsoffenen Sonntag geben. Die Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) habe mit diesem Antrag ihr Wort gebrochen, den Sonntagsschutz nicht anzurühren, kritisierte Püschel.

Alles Argumente, die, wie Jörg Hoffmann (FDP) erklärte, doch "ins Leere laufen" würden. Durch die Pandemie habe sich alles verselbständigt. Es gehe doch genau in diesen Zeiten darum, gerade den kleinen Geschäften zu helfen. Und das sei doch genau die Motivation des Stadtrats-Antrags. Auch die Gastronomen hätten davon Vorteile. Hofmann dachte an die Studenten, die kein Bafög erhielten oder aus anderen Gründen in gastronomischen Betrieben arbeiten und sich damit Geld dazuverdienen würden. Diese Möglichkeit sei für viele junge Menschen weggebrochen, so sagt Hoffmann.

Ein Tag. Es handelt sich um einen Tag. Und: Um eine "einmalige Ausnahme", wie die Grünen in ihrem Antrag im Stadtrat betont hatten. Auch Bernhard Wittek (CSU) sah das im BA so. "Ein Sonntag - den Untergang der Arbeitnehmerschaft damit zu konstruieren, ist doch übertrieben." Den Arbeitnehmern helfe doch die Insolvenz der Betriebe nicht. Katrin Habenschaden ging es in ihrem Vorschlag auch um die Entzerrung der Kundenströme. Gerade in der Weihnachtszeit. "Das ist", sagt Wittek, "in der Pandemiezeit doch ganz gut."

Auch Wolfgang Fischer von der Unternehmensinitiative City Partner München findet auf Anfrage nicht nur die Idee des verkaufsoffenen Sonntags gut, sondern genau diese Entzerrung an den Adventssamstagen. Auch glaubt er, dass besondere Situationen besondere Entscheidungen notwendig machten. Es bringe nichts, immer mit den gleichen "Schnappreflexen" zu reagieren. "Man muss in diesen Zeiten neue Dingen andenken, temporär Neues ausprobieren."

Dass die Geschäfte wirklich von einem verkaufsoffenen Sonntag profitierten, wagte ein Bürger in der Sitzung zu bezweifeln. Er glaubte, dass er vor allem den großen Ketten nutze. Viele kleine Geschäfte machten ja jetzt schon viel früher zu als sonst, die Betreiber hätten gar keine Kraft mehr, noch einen Tag dranzuhängen. "Uns reichen sechs Tage. Einen siebten macht keiner mehr mit", bestätigte auch die Sprecherin der Standl-Leute am Viktualienmarkt, Elke Fett (CSU), in der Sitzung am Dienstag.

"Aber auch ein Tag ist wichtig und richtig", sagt Fischer. "Die Geschäfte kämpfen ums Überleben. Es geht um jeden Euro." Außerdem sei es ja jedem Einzelhändler freigestellt, aufzumachen. Jeder könne überlegen, ob es sinnvoll sei und sich rentiere. Der Geschäftsführer von City Partner München erinnerte daran, dass es bis zum Ende der Fünfzigerjahre drei verkaufsoffene Sonntage in Bayern gegeben habe: den kupfernen, den silbernen und den goldenen.

Der Idee, am 29. November die Geschäfte zu öffnen, stimmte der BA letztlich zu. Jetzt ist wieder der Stadtrat an der Reihe.

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