Geflüchtete aus Griechenland:"Wo ist denn das humanitäre Signal?"

Migranten in Griechenland

Migranten auf Lesbos: Das provisorische Zeltlager "Kara Tepe" war in Windeseile errichtet worden, nachdem das ursprüngliche Lager Moria vor gut einem Monat bei einem Großbrand fast völlig zerstört worden war.

(Foto: dpa)

München will helfen. Bis zu 360 Plätze hat die Stadt in Aussicht gestellt - allerdings werden nun in ganz Bayern nur 100 Menschen aufgenommen. Im Rathaus findet man das "beschämend".

Von Bernd Kastner

Es ist eine große Rechnerei, ein Hin und Her, ein Rauf und Runter. Nicht 260, nicht 360, sondern maximal 40, vermutlich deutlich weniger. So viele Flüchtlinge, die bisher in Lagern auf den griechischen Inseln gelebt haben, werden nach München kommen. Die Zahlen basieren auf Absprachen zwischen Bund, Ländern und der Stadt. Vor Monaten schon hatte München dem Bund angeboten, mehrere Hundert Flüchtlinge von Lesbos und den anderen Inseln aufzunehmen. Nach dem Brand im Lager Moria im September erneuerte und konkretisierte das Rathaus das Angebot: Laut Stadtratsbeschluss bietet München 260 Plätze an, informell wurden bis zu 360 Plätze genannt. Im Rathaus ist man enttäuscht, dass diese Hilfe bei Bund und Freistaat nicht erwünscht ist. Sozialreferentin Dorothee Schiwy nennt deren Politik ein "Armutszeugnis" und fragt: "Wo ist denn das humanitäre Signal?"

Der Bund lässt 1553 Menschen einreisen, die ersten sind bereits eingetroffen. Sie müssen das Asylverfahren in Griechenland bereits durchlaufen und Schutz erhalten haben. Nach einigen Tagen im Durchgangslager Friedland werden sie auf die Bundesländer verteilt, allerdings nicht nach dem üblichen "Königsteiner Schlüssel", sondern gemäß der Aufnahmebereitschaft der Länder. Bayern bot dem Bund 240 Plätze an, das entspricht der üblichen Quote, heißt es aus dem bayerischen Innenministerium. Zugeteilt werden sollen dem Freistaat aber lediglich 100 Personen. In andere Länder kommen nach SZ-Informationen deutlich mehr Flüchtlinge: nach Hamburg 209, nach Nordrhein-Westfalen 419. Angeboten hatte NRW 1000.

Der Freistaat bat seine Landeshauptstadt um 27 Plätze, das entspräche der üblichen Quote. Um weiter ihre Großzügigkeit zu demonstrieren, hat die Stadt dem Innenministerium jetzt 40 Plätze offeriert. Vermutlich werden deutlich weniger kommen, da ganz Bayern ja nicht 240, sondern nur 100 aufnimmt. Da diese Geflüchteten anerkannt sind, sollen sie nicht in Asylunterkünften einquartiert werden, sondern ins System der Wohnungslosenhilfe kommen. Welche Unterkünfte das konkret sind, stehe noch nicht fest, sagte Schiwy. Das hänge davon ab, wer konkret komme, alleinreisende Männer müsse man anders unterbringen als Familien. Sicher jedenfalls ist, dass keine Leichtbauhallen gebraucht werden, diese waren zunächst als absolute Notlösung im Gespräch. Offen sei auch noch, wie die Griechenland-Flüchtlinge nach Ankunft unterstützt werden. "Uns ist bewusst, dass es einer besonderen Betreuung bedarf", sagt Gerhard Mayer, Chef des Amtes für Wohnen und Migration.

Die Stadtspitze ist enttäuscht, dass die offensiv vorgebrachte Hilfsbereitschaft Münchens und vieler anderer Städte auf so wenig Resonanz bei Bund und Freistaat treffen. "Mehr erhofft" habe sie sich, sagt die Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD). "Es geht darum, dass man Menschen hilft. Wir hätten unseren Beitrag geleistet." Deutlicher wird Sozialreferentin Schiwy, deren Haus für die Aufnahme letztlich zuständig ist. "Beschämend" nennt sie die "mageren Aufnahmezahlen". Trotz des angespannten Wohnungsmarktes könnte München mehrere Hundert Menschen ohne größere Probleme unterbringen.

Dieser Meinung ist auch Nina Klofac. Sie leitet im Münchner Flüchtlingsrat das Projekt "Save Me" und kümmert sich um Flüchtlinge, die nicht das normale Asylverfahren durchlaufen, sondern im Rahmen von Kontingenten oder humanitärer Aufnahme einreisen. Klofac kritisiert das "Zahlengeschacher" auf Bundesebene. München sei trotz der Wohnungsnot ein guter Ort für Geflüchtete. Hier gebe es, anders als in kleinen Städten oder auf dem Land, gute Infrastruktur, von der Beratung über Sprachkurse bis zur medizinischen Versorgung, und auch gute Chancen auf einen Job. Klofac erwartet, dass ausschließlich Familien kommen werden, und findet es "schade", dass das Sozialreferat die Expertise von "Save Me" noch nicht einbezogen habe, um die Aufnahme der Menschen aus Griechenland vorzubereiten. Immerhin, ein wenig Zeit bleibt der Stadt noch, die ersten werden laut Klofac wohl erst Ende November eintreffen.

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