Frankreich:Wider die mörderische Hetze

Samuel Paty Trauerfeier Frankreich

Er wurde getötet, "weil er die Republik verkörperte": Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron würdigte am Mittwochabend in Paris den ermordeten Lehrer Samuel Paty.

(Foto: François Mori/REUTERS)

Das Land gedenkt des von einem Islamisten ermordeten Lehrers Samuel Paty. Das grausame Attentat auf ihn wird auch als Anschlag auf das Herz der Gesellschaft empfunden. Zugleich wird klar, wie viel praktische und geistige Unterstützung der Täter hatte.

Von Nadia Pantel, Paris

Als der Sarg von Samuel Paty in den Innenhof getragen wurde, begannen Hunderte vor der Pariser Universität Sorbonne zu applaudieren. Sie hatten gewartet, um dem Mann, dessen brutale Ermordung Frankreich seit Tagen erschüttert, Respekt zu zollen. Im Innenhof selbst begann die nationale Gedenkveranstaltung, die der Élysée-Palast gemeinsam mit der Familie des getöteten Lehrers organisiert hatte. Bevor Präsident Emmanuel Macron ans Rednerpult tritt, liest eine Frau ein Gedicht vor, dass Gauvain Sers für Paty geschrieben hat. "Man gewöhnt sich wohl an die Tränen der Nation," beginnt es. Und endet: "Aber an den Unschuldigen, den man tötet, daran gewöhne ich mich nicht."

"Ich werde heute Abend nicht über die Terroristen sprechen", sagte Macron, "sie haben es nicht verdient." Macron erzählte von Patys Liebe zu Büchern, davon, wie seine Wohnung einer Bibliothek glich. "Er mochte Bücher, mit denen er seinen Schülern ebenso wie seinen Nächsten den Geschmack der Freiheit vermitteln konnte", sagte Macron und hob hervor, dass "jeder von uns" einen Lehrer wie Paty kenne, der "nicht nur gelehrt", sondern "einen Weg geöffnet" habe. Paty sei, so Macron, getötet worden, "weil er die Republik verkörperte". Weil "die Islamisten unsere Zukunft wollen, und weil sie wissen, dass sie diese niemals bekommen werden", solange es "stille Helden" wie Paty gebe. Frankreich werde weiter "die Freiheit verteidigen" und "niemals von den Zeichnungen, den Karikaturen ablassen".

Die höchste Ehrung der Grande Nation für den Toten

Im Rahmen der Zeremonie wurde Paty mit der höchsten Ehrung Frankreichs ausgezeichnet, dem Orden der Ehrenlegion. Paty wurde 47 Jahre alt und hinterlässt einen fünf Jahre alten Sohn. Er war ermordet worden, nachdem im Internet eine Hetzkampagne gegen ihn gestartet worden war. Ein 18-jähriger Islamist enthauptete Paty und begründete dies in einer Bekennernachricht damit, dass Paty im Unterricht Mohammed-Karikaturen aus Charlie Hebdo gezeigt hatte. Paty wollte seinen Schülern den Wert von Meinungsfreiheit vermitteln.

Seit Anfang September in Paris der Charlie-Hebdo-Prozess begann, hat Frankreich eine Zunahme der terroristischen Bedrohung verzeichnet. Die Satirezeitschrift hatte zu Prozessbeginn die Mohammed-Karikaturen erneut veröffentlicht, unter dem Titel "Das dafür?", um daran zu erinnern, dass zehn Redaktionsmitglieder von Islamisten ermordet worden waren. Im Verlauf des Prozesses wurde das Leben der aktuellen Chefin der Personalabteilung von Charlie Hebdo so massiv bedroht, dass die Polizei sie aus ihrer Privatwohnung ausquartieren musste. Am 25. September versuchte ein Mann, der als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Pakistan nach Frankreich gekommen war, mit einem Metzgerbeil zwei Menschen zu töten, die er fälschlicherweise für Mitarbeiter von Charlie Hebdo hielt. Er begründete seine Tat mit seiner muslimischen Religion: Die Karikaturen hätten ihn "wütend" gemacht. Seine beiden Opfer überlebten schwer verletzt. Mit Patys Ermordung vollendeten die Terroristen schließlich ihre Eskalationslogik: Es muss eine immer noch extremere Schwelle der Gewalt überschritten werden, um sich die Aufmerksamkeit zu sichern.

Dass Frankreich diese Tat nun nicht mehr loslässt, liegt zum einen an ihrer extremen Grausamkeit. Und zum anderen daran, dass ein Angriff auf die Schulen als Angriff auf das Herz der Gesellschaft empfunden wird. Der nationale Anti-Terror-Staatsanwalt Jean-François Ricard erklärte am Mittwochnachmittag, dass mutmaßliche Unterstützer des Täters einem Richter übergeben worden seien. Es seien drei Freunde des Täters. Einer hatte ihn am Vorabend des Angriffs beim Kauf des Messers begleitet, das zum Mordinstrument wurde. Dem Begleiter sei laut Ricard bewusst gewesen, dass der Täter radikal-islamistische Überzeugungen entwickelt hatte. Ein anderer fuhr den Täter mit dem Auto von dessen Heimatort in der Normandie zur 90 Kilometer entfernten Schule Patys. Ebenfalls ermittelt wird gegen zwei Schüler, 14 und 15 Jahre alt, die in Conflans-Sainte-Honorine dem Täter halfen, Paty zu finden. Da der Mörder Paty nicht persönlich kannte, bot er Schülern, die Patys Collège besuchten, 300 Euro an, wenn sie ihm den Lehrer zeigen. Er sagte dabei, er sei wegen der Karikaturen gekommen und wolle Paty "demütigen und schlagen", so die Staatsanwaltschaft.

Eine Kampagne im Internet wertet der Staatsanwalt als direkte Inspiration für den Mörder

Neueste Ermittlungen belasten auch schwer den Vaters des Mädchens, der in Videobotschaften aufgerufen hatte, Paty "zu stoppen". Die 13-Jährige war Patys Schülerin, am Tag, als die Karikaturen gezeigt wurden, aber nicht im Unterricht. Der Vater verbreitete laut Staatsanwalt Falschnachrichten, die Paty zur Zielscheibe von Islamisten machte. Das Innenministerium wertet die von dem Vater losgetretene Internetkampagne, die dem Video folgte, als "Fatwa".

National tribute to beheaded French teacher Samuel Paty

Präsident Emmanuel Macron bei der Trauerfeier für Samuel Paty neben dem Sarg des Toten.

(Foto: REUTERS)

Der Staatsanwalt erklärte am Mittwoch, der Täter sei "direkt von den Nachrichten inspiriert" worden, die der Vater verschickte. Es ist nachgewiesen, dass er mit dem Smartphone den Standort von Patys Schule suchte, als er die Hetzvideos gesehen hatte. Zudem wurden direkte Nachrichten gefunden, die der Täter und der Vater des Mädchens zwischen 9. und 13. Oktober ausgetauscht hatten. Der Vater der Schülerin gibt an, den Tod des Lehrers zu bedauern, hält es aber weiterhin für falsch, dass Paty die Karikaturen zeigte.

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People pay tribute to beheaded teacher Samuel Paty in Paris

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