Bayerischer Rundfunk:Das Gesicht einer neuen, bunten Macht

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(Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Die künftige BR-Intendantin Katja Wildermuth kann temperamentvoll und mitreißend sein. Diese Qualitäten braucht sie auch, denn die 55-Jährige wird für den Sender schwere Entscheidungen treffen müssen.

Von Claudia Tieschky

Ja, natürlich ist Katja Wildermuth eine Frau. Und ja, natürlich würde man sich in eine Welt wünschen, in der es etwas weniger staunenswert wäre, dass der Bayerische Rundfunk im kommenden Februar zum ersten Mal eine Intendantin bekommt. Vier von neun ARD-Anstalten werden dann übrigens von Frauen geführt sein. Bei genauerer Betrachtung ist mit der Wahl der 55-Jährigen eine hochinteressante Konstellation verbunden: Die Kandidatin Wildermuth wurde von einer Allianz unterstützt, zu der die CSU-Frau und BR-Verwaltungsratschefin Ilse Aigner ebenso gehört wie die Grünen-Rundfunkrätin Sanne Kurz. Damit findet sich in den Gremien des BR, der lange der politischen Nähe zur CSU verdächtig und als Schwarzfunk verschrien war, eine neue, bunte Macht zusammen.

Über das gemeinsame Ziel, eine Frau ins Amt zu bringen, weist das weit hinaus. Die verblüffende Koalition hebelt in weiten Teilen die alte politische Farbenlehre aus. Farbenlehre bedeutet: Besitzstandswahrung der politischen Parteien im Rundfunkrat und Einflussnahme auf die Besetzung von wichtigen Posten. Die augenblickliche Buntheit im BR wirkt wie ein erfrischender Aufbruch in die Freiheit.

Die promovierte Historikerin Wildermuth kommt vom MDR, wo sie seit Frühjahr 2019 Programmdirektorin in Halle ist. Sie hat sich als temperamentvolle Programmmacherin und -Managerin einen ausgezeichneten Ruf erworben. Am Anfang ihrer Karriere war sie investigative Reporterin, bald rückten bei ihr geschichtliche und zeitgeschichtliche Dokumentarfilm-Produktionen in den Mittelpunkt, viele der von ihr betreuten und redaktionell verantworteten Filme sind preisgekrönt. 2016 ging sie für drei Jahre als Kulturchefin zum NDR.

Bayern und der BR sind ihr nicht fremd. Aufgewachsen ist Wildermuth in Anzing bei München, "ein ganz normales Dorfleben", sagt sie. Aufs Gymnasium ging sie in Markt Schwaben, studiert und promoviert hat sie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität. Danach ging sie, anstatt eine aussichtsreiche Universitätskarriere als Althistorikerin mit einer Habilitation weiter zu verfolgen, in den Journalismus und in den Osten. 1994 kam sie als freie Autorin zum MDR. Denn "die Vorstellung, mich mit 2000 Jahre alten Quellen zu befassen, wo alles jetzt in der Gegenwart so spannend ist", erschien ihr auf einmal absurd. "Dieses München ist auch ein Heimkommen", sagt sie. Über eine Kandidatur bei einem Sender in einer anderen Himmelsrichtung hätte sie gar nicht nachgedacht.

Wenn sie vom BR spricht, merkt man schnell, dass sie im Umgang miteinander den Schlüssel für Veränderung ausgemacht hat. Denn den Sender sieht sie angesichts von weiterem Spardruck, nötigen Investitionen ins Digitale und Arbeitsverdichtung vor einer grundsätzlichen Neubesinnung. Sie spricht von einer "Priorisierungsdiskussion", die alle im Sender in den nächsten Jahren führen müssten. "Und die große Kunst wird darin bestehen, dass wir das konstruktiv und zuversichtlich tun." Nach der Wahl sprach sie von den "wunderbaren Stärken" des BR und den hoch qualifizierten und hoch motivierten Mitarbeitern, auf die sie sich freue. Wildermuth ist zugewandt und kann mit ihrer Begeisterung mitreißen, aber auch sie wird früher oder später Entscheidungen fällen, für die sie kritisiert werden wird. Sie wirkt so, als könne sie das gut verkraften.

Die künftige Intendantin ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern, Fußballnärrin und hat nach eigenen Angaben kein Parteibuch - anders als ihr Vorgänger Ulrich Wilhelm, CSU-Mitglied und ehemaliger Regierungssprecher Angela Merkels. Sie hat auch, anders als alle BR-Chefs der letzten Jahrzehnte, keine Vergangenheit in Staatsdienst oder Ministerien. In Zeiten, in denen mit der Rede vom angeblichen "Staatsfunk" gern Misstrauen gegen die Öffentlich-Rechtlichen verbreitet wird, ist das besonders wertvoll.

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