Öl-Anschläge auf Berliner Museen:Schweigen, mauern, Schuld zuweisen

Erneut Vandalismus auf Berliner Museumsinsel

Eine große Granitschale im Lustgarten vor dem Alten Museum ist großflächig beschmiert.

(Foto: dpa)

Der Vandalismus in drei Berliner Museen lässt den internen Streit innerhalb der Stiftung Preußischer Kulturbesitz offen ausbrechen.

Von Jörg Häntzschel

Auch drei Wochen nach dem Öl-Anschlag auf mehr als 70 Kunstwerke in drei Berliner Museen gibt es keine Hinweise auf Täter oder Motiv. Umso deutlicher wird hingegen, dass der Fall die bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) seit Langem schwelende Krise nun offen ausbrechen lässt.

Falls es noch eines Belegs bedurfte für die "Dysfunktionalität", die der Wissenschaftsrat der SPK im Sommer attestiert hatte - hier ist er.

Verschiedene Medien berichteten in den letzten Tagen, dass einige Museumsdirektoren eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Generaldirektor der Museen, Michael Eissenhauer, eingereicht hätten. Eine solche Beschwerde kann jeder Bürger gegen einen Angehörigen des Öffentlichen Dienst einreichen. Doch dass die Beschwerde umgehend an die Presse weitergegeben wurde, zeigt, wie sehr in der Stiftung die Luft brennt. Ein Sprecher der Museen erklärte, man wolle und dürfe sich dazu nicht äußern. Auch wenn man konzediert, dass Eissenhauer krankgeschrieben ist - dass er bisher sowohl zu dem Vorfall als auch zu der angeblichen Beschwerde geschwiegen hat, sorgt in Berlin für Kopfschütteln.

In der Nacht zum Samstag kam es zu einem neuen Fall von Vandalismus

Doch auch die anderen beiden zentralen Figuren in diesem Fall, Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Stiftungspräsident Hermann Parzinger, sehen sich mit immer neuen Fragen konfrontiert. Das betrifft vor allem die Tatsache, dass die Öffentlichkeit erst zweieinhalb Wochen nach dem Anschlag informiert wurde, und auch dann wohl nur, um Berichten von Zeit und Deutschlandfunk zuvorzukommen.

Bislang hatte die SPK erklärt, die Polizei habe aus Ermittlungsgründen abwarten wollen. Außerdem habe man Zeit gebraucht, um die Leihgeber beschädigter Werke zu informieren. Beides scheint nicht zuzutreffen. Die Leihgeber wurden sofort benachrichtigt, so Eckart Köhne, der Präsident des Deutschen Museumsbunds, in einem Leserbrief an die FAZ. Und es war die Polizei, die auf eine frühe Veröffentlichung drängte, so Ermittler wie SPK-Mitarbeiter. Die SPK habe jedoch immer wieder um Aufschub gebeten. Der SPK-Sprecher wollte sich dazu am Sonntag nicht äußern.

Hätte nicht Grütters, Parzingers Dienstherrin, darauf bestehen müssen, dass der Fall publik gemacht würde, von dem sie seit dem 6. Oktober wusste? Ein Sprecher von ihr sagte dazu zur SZ, es sei "allein Aufgabe der SPK, bei Vorfällen dieser Art in Abstimmung mit den Ermittlungsbehörden die Öffentlichkeit zu informieren."

In der Nacht zum Samstag ist es indes zu einem weiteren Fall von Vandalismus gekommen. Die große Granitschale im Lustgarten vor dem Alten Museum wurde mit Graffiti besprüht. Die Polizei nahm einen 17-Jährigen und einen 21-Jährigen fest, die von Zeugen beobachtet worden sein sollen. Die Graffiti enthielten laut Polizei weder eine politische Botschaft, noch stünden sie in Zusammenhang mit den Öl-Spritzereien vom 3. Oktober.

Parzinger erkennt dennoch ein Muster: "Es ist jetzt nicht mehr zu leugnen: Die Kultur wird angegriffen", sagte er gegenüber dpa. "Wir brauchen jetzt nicht nur verstärkten Schutz für unsere Schätze, wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte, wie wir unsere kulturellen Werte verteidigen."

Wir? - Traten die Schwächen in der Verteidigung nicht vor allem in Parzingers SPK auf? Niemand hatte das in den letzten Tagen schärfer moniert als Grütters. Doch viele bei der SPK sehen die Schuld auch bei ihr. Sie eröffne lieber neue Museen, statt den bestehenden das Geld für den Unterhalt und damit die Modernisierung der Sicherheitssysteme zur Verfügung zu stellen. Erst mit den zusätzlichen Mitteln im nächsten Haushalt ist Besserung in Sicht.

Die gute Nachricht: Obwohl niemand sich an einen Fall erinnern kann, bei dem derart viele Kunstwerke auf einmal angegriffen wurden, hält sich der tatsächliche Schaden offenbar in Grenzen. Es wird, so interne Schätzungen, zwischen 10 000 und 50 000 Euro kosten, die Ölflecken zu beseitigen.

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Museen in Berlin: Kunstwerke auf der Museumsinsel im Oktober 2020 beschädigt

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