US-Wahlkampf:Trump verfolgt das gleiche Drehbuch wie 2016

Trump US-Wahl

US-Präsident Donald Trump am Samstag bei einer Wahlkampfveranstaltung in Ohio.

(Foto: Mandel Ngan/AFP)

Vor vier Jahren schadeten Enthüllungen über dienstliche E-Mails auf einem privaten Laptop Hillary Clinton im Wahlkampf. Nun versucht das Trump-Lager, Joe Biden mit Enthüllungen über seinen Sohn Hunter zu schaden. Doch dieses Mal zündet der Funke nicht so richtig.

Von Hubert Wetzel, Washington

Am 28. Oktober 2016, elf Tage vor der Präsidentschaftswahl, schickte der damalige FBI-Direktor James Comey einen Brief an den Kongress. Auf einem gerade erst entdeckten Laptop seien weitere E-Mails der demokratischen Kandidatin Hillary Clinton gefunden worden, schrieb er, die diese in ihrer Zeit als Außenministerin über einen privaten Server verschickt habe. Dementsprechend werde er die FBI-Ermittlungen dazu, ob Clinton gegen Geheimhaltungsregeln verstoßen habe, wieder aufnehmen.

Es gibt Wahlexperten, die der Meinung sind, dieser inzwischen berüchtigte "Comey Letter" habe Clinton damals den Wahlsieg gekostet. Darüber kann man streiten. Aber dass Comeys Brief Clinton in den letzten Tagen vor der Wahl nicht geholfen hat, ist mit Umfragen relativ gut belegbar.

Comey stützte damals in einer entscheidenden Phase den Vorwurf des republikanischen Kandidaten Donald Trump, Clinton sei korrupt, kriminell und gehöre ins Gefängnis. "Lock her up!" - Sperrt sie ein! - war ein beliebter Sprechchor bei Trumps Auftritten. Und der FBI-Direktor, so sah es jedenfalls für viele Wähler aus, schien ähnlicher Ansicht zu sein. Als er ein paar Tage nach seinem ersten Brief in einer zweiten Stellungnahme verkündete, dass seine Ermittler auf dem Laptop doch nichts Relevantes gefunden hätten, war es zu spät - Clinton verlor.

Insofern ist es wenig überraschend, dass das Trump-Lager derzeit versucht, einen ähnlichen Zwischenfall zu inszenieren, um dem Demokraten Joe Biden zu schaden. Der führt - wie 2016 Clinton - im Moment die Umfragen an, die meisten Prognosen geben Trump nur eine geringe Siegchance.

Das erklärt, warum Trumps Wahlkampfteam und seine Verbündeten in den Medien derzeit so viel über einen Laptop von Hunter Biden reden. Auf dem Computer des Sohnes von Joe Biden, der über etwas undurchsichtige Umwege in den Besitz von Trumps Anwalt Rudy Giuliani gelangt ist, sollen sich E-Mails befinden, die belegen, dass Hunter Biden korrupte Geschäfte in der Ukraine gemacht hat - und dass Joe Biden davon als US-Vizepräsident gewusst und dabei geholfen habe. Zudem wirft das Trump-Lager Biden vor, zusammen mit Hunter dubiose Deals in China angeschoben zu haben. Handfeste Beweise gibt es dafür nicht.

Das Drehbuch, dem Trump folgt, ist das gleiche wie vor vier Jahren: Kurz vor der Wahl wird der Gegner mit so viel Dreck wie möglich beworfen, in der Hoffnung, dass irgendwas schon hängen bleiben und die Wähler misstrauisch machen wird. "Flooding the zone with shit", hat Trumps früherer Wahlkampfmanager Stephen Bannon, der auch jetzt wieder mitmischt, diese Strategie einmal genannt. Trumps Anhänger sind davon begeistert, sie schreien mittlerweile "Lock him up!" bei den Wahlveranstaltungen - "Sperrt ihn ein!". Doch das Ziel ist weniger, Biden-Wähler davon zu überzeugen, ihre Stimme Trump zu geben. Aus Trumps Sicht reicht es schon, wenn er den Ruf des Demokraten so beschädigen kann, dass mögliche Biden-Wähler enttäuscht daheim bleiben.

Allerdings unterscheidet sich die Wahlkampflage im Jahr 2020 doch erheblich von der im Jahr 2016. Ob Trump mit der gleichen Strategie noch einmal Erfolg haben kann, ist alles andere als klar.

Der angebliche Skandal um Hunter Bidens Laptop etwa tut sich schwer, über die konservative Filterblase hinaus Aufmerksamkeit oder gar Empörung zu generieren. Rechte Blogger und Kommentatoren sind außer sich, konservative Medien wie Fox News und die New York Post berichten atemlos. Aber ob das den Großteil der Wähler wirklich erreicht, ist offen. Twitter und Facebook haben die Verbreitung der Geschichte über ihre Plattformen zumindest am Anfang behindert. Viele eher linke Medien wie die New York Times, die Washington Post oder auch der öffentliche Rundfunk berichten wenig und nur mit zugehaltener Nase über die Vorwürfe. Das hat mit politischen Vorlieben zu tun, aber auch mit der Angst davor, wieder kurz vor der Wahl einem Skandal nachzurennen, der keiner ist.

Diese Spaltung nimmt manchmal bizarre Formen an: Beim konservativen Wall Street Journal zum Beispiel griff eine Kolumnistin, die für die Meinungsredaktion arbeitet, die Vorwürfe gegen Biden auf. Ihre Kollegen in der Nachrichtenredaktion hingegen schrieben in einem Artikel, dass es keine Beweise für ein Fehlverhalten Bidens gebe.

Wie dem auch sei: In den Umfragen schlägt sich der vermeintliche Skandal jedenfalls bisher nicht nieder. Es ist eben ein Unterschied, ob ein amtierender FBI-Direktor offiziell gegen eine Präsidentschaftskandidatin ermitteln lässt, oder ob aus trüben Quellen vage Vorwürfe gegen den weitgehend unbekannten Sohn eines Kandidaten erhoben werden. Zumal wenn dieser Kandidat bei den Wählern deutlich beliebter ist als die Kandidatin von 2016.

Zudem dürften die meisten Amerikaner auch andere Sorgen als Hunter Bidens Computer haben. Die Corona-Pandemie hat die USA nach einer kurzen Atempause wieder voll im Griff. Vorige Woche wurden an einem Tag mehr als 80 000 neue Infektionen festgestellt - ein Rekordwert. Auch die Zahl der Menschen, die im Krankenhaus liegen, und die Zahl der Todesfälle steigt wieder. Trump selbst scheint seine Corona-Infektion zwar gut überstanden zu haben. Jedenfalls ist er fit genug, um jeden Tag zwei oder sogar drei Wahlkampfauftritte zu absolvieren, bei denen er sich darüber beschwert, dass alle Welt nur über "Covid, Covid, Covid" rede.

Aber die Nachricht vom Wochenende, dass der halbe Stab von Vizepräsident Mike Pence positiv auf das Virus getestet worden ist, widerspricht Trumps Behauptung, das Land habe das Gröbste hinter sich, ganz offensichtlich. Das Virus, das kann man wohl vorhersagen, wird das Wahlergebnis mehr beeinflussen als ein Laptop.

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