Frauenquote:Nun ruht die Hoffnung auf Merkel

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Kanzlerin Merkel bei einer Kabinettssitzung. (Foto: dpa)

Nach dem Scheitern des Paritätsgesetzes in Brandenburg richten sich die Hoffnungen von Frauen auf die Kanzlerin. Doch die Union sperrt sich weiter gegen verbindliche Quoten.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Nach dem Scheitern des Paritätsgesetzes in Brandenburg ruhen die Hoffnungen auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), mehr Tempo bei der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Deutschland zu machen. "Meine Hoffnung ist, dass die Bundeskanzlerin noch ein Vermächtnis für die Gleichstellung hinterlässt", sagte Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung in Berlin, am Sonntag der Süddeutschen Zeitung. Merkel habe ja einiges für Frauen bewegt. "Ohne Frau Merkels Go hätte Deutschland nicht erstmals eine Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums gesehen, gefolgt von einer zweiten", sagte die renommierte Sozialwissenschaftlerin. "Von solchen Bildern geht eine Menge aus, da ändern sich Stereotype, da werden junge Frauen ermutigt, neue Wege einzuschlagen."

Am Freitag hatte das Landesverfassungsgericht Brandenburg das Paritätsgesetz gekippt. Gerichtspräsident Markus Möller begründete die Ablehnung damit, dass das Gesetz der Wahlvorschlagsfreiheit und der Chancengleichheit der Parteien widersprechen würde. Allmendinger sagte, das Urteil sei beinahe erwartbar gewesen. Dennoch sei es ein wichtiger Schritt gewesen, um auf das Problem aufmerksam zu machen. "Man hätte das Gesetz ja nicht gebraucht, wenn Frauen nicht so evident unterrepräsentiert wären in den meisten Bundesländern. Am schlimmsten ist es in meinem Heimat-Ländle, Baden-Württemberg", sagte sie. Solche Gesetze seien "ein Zeichen der Not".

Auch die Bundesregierung kommt mit der Gleichstellung nicht voran. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte im Frühsommer das zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) vorgelegt. Es soll dazu dienen, mehr Frauen über verbindliche Quoten in Führungspositionen zu bringen. Die Kanzlerin sei vor allem bei den laufenden Verhandlungen um den neuen Gesetzesentwurf in der Pflicht, sagt Allmendinger. "In einem Jahr sind Bundestagswahlen, und wir Frauen setzen fest darauf, dass die Kanzlerin noch Türen öffnet, was das FüPoG II angeht". Jeder könne sehen, wie gut die feste Quote bei Aufsichtsräten wirke, und dass Selbstverpflichtungen eben nichts brächten. "Frau Merkel kann und sollte da helfen."

Bislang lehnt die Union den Entwurf ab, er gehe weit über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag hinaus, heißt es. Union und SPD haben in ihrem Regierungsprogramm vereinbart, bis 2025 die Leitungspositionen im öffentlichen Dienst gleichberechtigt zu besetzen. Giffey hat diese Vereinbarung ausgeweitet. Sie will eine verbindliche Quote im öffentlichen Dienst, also für Beteiligungen des Bundes und Körperschaften öffentlichen Rechts. Das sind einige Hundert Organisationen. Sie will auch eine Quote für insgesamt 78 Vorstände in der Privatwirtschaft, und die bereits geltende Quote für Aufsichtsräte von 107 auf 600 Firmen ausdehnen.

CDU, CSU und SPD hatten sich im letzten Koalitionsausschuss auf eine Arbeitsgruppe Führungspositionen verständigt. Sie hat zuletzt am Mittwoch vergangener Woche getagt, ohne Ergebnis. Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vertreten in der Gruppe beinahe idealtypisch die gegensätzlichen Positionen. Lambrecht pocht auf verbindliche Quoten. Die bisherige Regelung "belegt mit aller Deutlichkeit, dass wir mit freiwilligen Vorgaben nicht weiterkommen und weitergehender Handlungsbedarf besteht", sagt ihre Sprecherin. Altmaier lässt ausrichten, er mache sich bei der Förderung von Frauen "bereits seit längerem für eine Vorbildfunktion der öffentlichen Hand stark". Nach verbindlicher Quote klingt das nicht. Wie fast immer suchen die Koalitionäre nun kleinteilige Kompromisse, um parteipolitische Interessen auszugleichen. Die Union könnte bereit sein, eine Art Quote bei öffentlichen Unternehmen und Bundesbeteiligungen zu akzeptieren, verlangte aber dafür, dass die SPD in einer anderen Arbeitsgruppe - der zum Bürokratieabbau - einigen Forderungen zustimmte. Insgesamt 16 Forderungen hat die Union zusammengetragen, sie liegen der Süddeutschen Zeitung vor. Dazu gehört die Einführung einer wöchentlichen Arbeitszeit, ein antragsloses Kindergeld, die Anhebung der Minijob-Grenze von 450 auf 600 Euro sowie steuerliche Vereinfachungen für Betreiber von Windkraftanlagen.

Bislang, so ist in Berlin zu hören, seien die Treffen der Arbeitsgruppe Bürokratieabbau aber sehr kurz gewesen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) habe sie meist nach einer halben Stunde mangels Diskussionsmasse aufgelöst. Die Fraktionsspitze der Union will nun Mitte dieser Woche beraten, was man bereit ist, zuzugeben. Die Deutsche Bahn jedenfalls will keinesfalls eine erweiterte Frauenquote. Nach der Vorlage des Gesetzentwurfs haben deren Vorstände gleich drei Bundesminister gewarnt. Wenn man höhere Auflagen erfüllen müsse, entstünden "Nachteile im Vergleich zu unseren Wettbewerbern, die nicht in gleichem Maße von der Gesetzgebung betroffen sind", warnen Bahnchef Richard Lutz und zwei Vorstandskollegen in einem Brief. Aus Sicht der Bahn seien neue Auflagen nicht erforderlich und "sogar mit erheblichen negativen Auswirkungen verbunden".

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