Prozess:Keine Leichen, aber viele Hinweise

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Fahnder der Polizei durchkämmen auf der Suche nach zwei vermissten Frauen einen Wald in Waldperlach. (Foto: Stephan Rumpf)

Eine Frau und ihre Tochter verschwinden spurlos, die Ermittler gehen von Mord aus und belasten den angeklagten Ehemann schwer.

Von Susi Wimmer

Die Frage, die Roman H. der Kriminalbeamtin vor dem Landgericht stellt, klingt sonderbar, nahezu beunruhigend: "Haben Sie etwas Ungewöhnliches gefunden? Etwas mit dem man hätte Körper vernichten können? Einen Spaten, oder einen Kanister mit Säure?" Die Polizistin hatte mit Spezialisten der Spurensicherung den Keller seiner Wohnung in der Ottobrunner Straße durchsucht, nachdem die Ehefrau von Roman H. und seine 16 Jahre alte Stieftochter im Juli 2019 spurlos verschwunden waren. Staatsanwalt Daniel Meindl ist der festen Überzeugung, dass Roman H. die beiden Frauen getötet hat. Trotz aufwendiger Suchaktionen der Polizei hat man ihre Leichen aber bis heute nicht gefunden.

Es ist der zweite Verhandlungstag eines langen Indizienprozesses, in dem die Staatsanwaltschaft dem 45 Jahre alten Roman H. nachweisen will, dass er zuerst im Streit seine Ehefrau im Flur getötet und anschließend gewartet habe, bis seine Stieftochter Tatjana aus der Schule kam, um auch sie umzubringen. "Es fehlen die Leichen, und es fehlt ein Motiv", hatte Verteidiger Florian Opper zum Prozessauftakt gesagt. Nach den Berichten der Ermittler nun drängte sich aber ein Verdacht auf: Die Beziehung zwischen den Eheleuten könnte angespannt gewesen sein. Und: Ohne seine erfolgreiche Frau hätte H. in München finanzielle Probleme bekommen.

Mordprozess ohne Leichen
:Angeklagter bestreitet Tötung seiner Frau und Stieftochter

Zum Auftakt der Verhandlung erzählt der 45-Jährige seine eigene Version vom Verschwinden der beiden Frauen. Er gehe davon aus, dass Mutter und Tochter noch leben - oder zumindest die Mutter.

Von Susi Wimmer

Kriminalhauptkommissar Holger Smolinsky ist mit dem Fall betraut und wird binnen einer guten Stunde die Arbeit der Polizei aufdröseln, alle Handy- und Computerdaten nennen, und zwar auswendig, und erläutern, warum die Mordkommission am Ende ein "freiwilliges Verschwinden der Frauen" für höchst unwahrscheinlich hielt.

Roman H. hatte am 13. Juli 2019, einem Samstag, versucht, die Frauen bei der Polizei als vermisst zu melden. Er behauptete, sie seien gegen 15 Uhr zum Einkaufen ins PEP aufgebrochen - und nicht zurückgekehrt. Als es am Montag immer noch kein Lebenszeichen gab, wurde die Polizei aktiv: Sie suchte die Wohnung in Ramersdorf ab, befragte Freunde, klapperte Frauen- und Krankenhäuser ab und stellte fest, dass die Handys der beiden weg waren. Reisetaschen, Pässe, Debitkarten und der Führerschein der Mutter allerdings lagen zu Hause, ihr Auto parkte in der Garage. Am 17. Juli wurde bei der Kripo die Ermittlungsgruppe "Duo" eingerichtet. Die Polizisten befragten mehr als 170 Personen, "teilweise bis zu fünfmal", erzählt Smolinsky.

Man stellte fest, dass der Gang in der Wohnung frisch gestrichen worden war, "und zwar sehr eilig, der Spiegel wurde nicht einmal abgenommen". Roman H. erklärte, er habe am Nachmittag ein paar Maschinen Wäsche gewaschen. An der Maschine befand sich Blut, die Polizei stellte Flusensieb und Restwasser sicher. Man entdeckte im Perlacher Forst zwei blutverschmierte Teppiche aus der Wohnung der Familie. Daraufhin suchte die Polizei mit Hubschraubern, Drohnen, Tauchern und Hundestaffel nahe des Friedrich-Panzer-Weges Wald und Teich ab. Ohne Erfolg.

Einen Tag nach dem Verschwinden der Frauen übergab Roman H. seinen Laptop einem Freund und erklärte ihm, wie er seine Geschäfte in Russland weiterführen könne. Er sagte ihm, "Masha ist weg. Jeden Moment kann die Polizei mich holen." An jenem Tag habe Roman H. einen Kratzer im Gesicht gehabt, sagt der Freund. Schließlich traf sich H. noch mit seinem Vater, um ihm die Papiere für seine Wohnung in St. Petersburg zu übergeben.

Am Vormittag des 13. Juli hörte eine Nachbarin Schreie aus der Wohnung in der Ottobrunner Straße. Um 11.32 Uhr zeichnet die S-Bahn-Kamera Tatjanas Heimweg von der Schule auf. Um 12.02 Uhr textet sie einer Freundin, mit der sie tags darauf im Kino verabredet ist, "Ich schreib dir gleich". Zu dem Zeitpunkt müsste sie in der Wohnung angekommen sein. Es war ihr letztes Lebenszeichen.

© SZ vom 29.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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