ARD-Film über Attentat auf Dutschke:Die Spur führt nach Peine

Dutschke - Zwischen den Schüssen

Rudi Dutschke (Aaron Hilmer) in der TV-Reihe "Zu Protokoll" mit Günther Gaus (Jörn Hentschel). Das Original-Interview ist bei Youtube zu sehen.

(Foto: Mathias Schöningh/NDR)

Ein ARD-Dokudrama beleuchtet die Verbindungen des Dutschke-Attentäters Josef Bachmann in die rechtsextreme Szene.

Von Willi Winkler

Die AfD ist nicht die erste rechte Protestpartei: Anfang 1968 war die NPD in sechs von zehn westdeutschen Landesparlamenten vertreten. Dieser Erfolg hatte mit der ersten Großen Koalition im Bundestag zu tun, aber auch mit der außerparlamentarischen Opposition, der APO, die mit ihren Protesten gegen den Vietnamkrieg viele Bürger erschreckte.

Das Feindbild der NPD unterschied sich dabei nicht von dem der Springer-Zeitungen. "Man darf über das, was zur Zeit geschieht, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen", donnerte am 7. Februar jenes Jahres ein Bild-Leitartikel. "Und man darf auch nicht die ganze Dreckarbeit der Polizei und ihren Wasserwerfern überlassen." Daneben fand sich das Foto eines wild dreinschauenden, offenbar bereits von einem Wasserwerfer durchnässten Rudi Dutschke. In bester Boulevard-Manier wurde zum Handeln aufgerufen: "Stoppt den Terror der Jung-Roten jetzt!" Der Hilfsarbeiter Josef Bachmann ließ sich das nicht zweimal sagen und streckte zwei Monate später den berühmtesten "Jung-Roten" Deutschlands mit drei Schüssen nieder.

In dem dokudramatischen Film Dutschke - Schüsse von rechts von Cordt Schnibben und Peter Dörfler wird Bachmann von Rafael Gareisen fast schon beängstigend überzeugend gespielt. Aaron Hilmer trägt Dutschkes legendären Pullover auf und kann auch den ostischen Singsang ziemlich gut. Zwischen den Spielszenen erscheinen die üblichen Unverdächtigen, die anders als der immerjugendliche Dutschke bereits hoch in Jahren sind: Bernd Rabehl, Rainer Langhans, Stefan Aust, Peter Schneider und die Witwe Gretchen Dutschke. Sie erinnern sich an Dutschke als den frommen Christen, den nicht weniger frommen Sozialisten, den Familienvater, den charismatischen Redner und den Sportler, der, das dürfte eine neue Facette des Revolutionärs sein, "sozial Fußball spielte".

Die Zeitgenossen bestätigen, wie sehr die Berichterstattung der Springer-Zeitungen zur Verschärfung der Situation vor allem in Berlin beitrug. Bachmann, der wegen seines Mordversuchs zu sieben Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, war zwar ziemlich verwirrt, aber mit seinem mörderischen Hass auf das "Kommunistenschwein" Dutschke nicht allein. In Peine nahe der damaligen Zonengrenze trieb er sich - das ist den beiden Filmautoren wichtig - in einem rechtsradikalen Mischmilieu von NPD-Aktivisten, Polizisten und V-Leuten herum, die für den westdeutschen und teilweise gleichzeitig für den Geheimdienst der DDR arbeiteten. Bei diesen Gesinnungsgenossen konnte sich Bachmann eine Waffe und Munition besorgen; das Gericht kümmerte sich nicht um diese Verbindung und verurteilte einen Einzeltäter.

Bachmann beging im Gefängnis Selbstmord. Rudi Dutschke überlebte den Mordversuch, lernte mühsam wieder zu sprechen, engagierte sich bei den Grünen, starb aber 1979 an den Folgen des Anschlags. Als guter Christ hatte er seinem aufgehetzten Feind verziehen.

Dutschke - Schüsse von rechts. Das Erste, Nacht zu Dienstag, 0.05 Uhr. Ab Montag, 18 Uhr in der ARD-Mediathek.

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