Ökologie:Raus aus dem Teufelskreis

Erntebilanz Sachsen

Der Boden ist Nahrungsquelle, Lebensraum und hat eine Bedeutung für das Klima. Wie er genutzt wird, entscheidet über mehrere große Probleme des Planeten.

(Foto: Jan Woitas/dpa)

Ein Beirat des Bundes befasst sich mit der Ressource Boden - und ruft zur globalen "Landwende" auf, um Klima und Artenvielfalt zu retten.

Von Michael Bauchmüller

Ohne Land ist alles nichts. Land ist buchstäblich Grundlage irdischen Lebens. Der Boden wirft den Großteil der Nahrung ab, von der nicht nur die Menschen, sondern auch viele Tiere leben. Und das Land steht im Zentrum der größten Probleme, denen sich Mensch und Natur gegenübersehen.

Ein Beratungsgremium der Bundesregierung, der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU), hat sich mit der Rolle des Landes in seinem jüngsten Gutachten befasst, es liegt seit diesem Dienstag vor. Die Landnutzung wird darin zur Klammer dreier elementarer Krisen: der Klimakrise, des rapiden Artensterbens, und, verkürzt gesagt, des globalen Hungers. Sie alle hängen miteinander zusammen - und stehen allzu oft in Konflikt zueinander. Böden sollen möglichst viel Nahrung abwerfen. Doch eine Fokussierung auf den Ertrag bedroht Arten und gefährdet das Klima. Die Erzeugung nachwachsender Rohstoffe, ganz im Sinne des Klimaschutzes, kann in Monokulturen münden, das Gegenteil von Artenvielfalt. Die Ausweitung von Schutzflächen beschränkt die Nutzflächen.

Nötig sei daher nicht weniger als eine "Landwende", konstatiert der Beirat, ein Ausbruch aus den Teufelskreisen des Bodens. "Land ist ein globales Gemeingut", heißt es in dem Gutachten des neunköpfigen Beirats. "Die Menschheit muss Gestaltungsverantwortung für das Land übernehmen." Anders ließen sich Klimaschutz, Erhalt der Artenvielfalt und zugleich eine sichere Ernährung nicht schaffen, und zwar national wie international.

Zahlungen an Landwirte sollten sich an Leistungen für das Ökosystem bemessen

Wie das konkret funktionieren kann, dafür macht der WBGU Vorschläge. So müssten Ökosysteme wiederhergestellt werden, etwa durch Wiederaufforstung oder die Vernässung von Mooren. Beides würde auch dem Klima nutzen. Die 2011 ausgerufene "Bonn Challenge", mit der bis 2030 weltweit 350 Millionen Hektar renaturiert werden sollen, müsse noch übertroffen werden. Auch brauche es mehr Schutzgebiete, mindestens 30 Prozent der globalen Landfläche. "Effektive, vernetzte Schutzgebietssysteme bilden das Rückgrat des Ökosystemschutzes", heißt es im Gutachten. Helfen könnten dabei "globale Bewahrungsgemeinschaften", in denen etwa Privatleute oder Staaten als Mitpächter schützenswerten Landes auftreten. Auch die Schutzgebiete dienen dem Klimaschutz, doch mehr noch dem Erhalt der Biodiversität.

Das dickste Brett aber dürfte die Landwirtschaft werden. So verlangt das Gutachten eine "Abkehr von der industriellen Landwirtschaft durch ihre umfassende Ökologisierung", aber gleichzeitig mehr Produktivität im Afrika südlich der Sahara. Zum Labor der Landwende könnte nach Auffassung des Beirats die EU werden, die gerade über eine neue Ausrichtung ihrer Agrarpolitik diskutiert. Aus ihrer "Gemeinsamen Agrarpolitik" müsse die Union eine "Gemeinsame Ökosystempolitik" machen, die auch eine nachhaltige Forstwirtschaft, neue Schutzgebiete und Renaturierung entlohnt. Zahlungen an Landwirte sollten sich an Leistungen für das Ökosystem bemessen, nicht an Hektaren. Diese Reform werde aber leider "lediglich vorsichtig eingeleitet", klagt die Umweltrechtlerin Sabine Schlacke, Co-Vorsitzende des Beirates.

Auch die Verbraucher kommen nicht ungeschoren davon, denn ihr Fleischkonsum verschärft die Probleme rund ums Land. Doch die Wissenschaftler bauen hier, sehr optimistisch, vor allem auf Einsicht: In Europa zeichne sich ein "entsprechender Wertewandel" schon ab. Letztlich brauche es Pioniere, die neue Wege testen und beschreiten, wirbt der Beirat. "Für die dringend notwendige globale Landwende", so schließt er, "braucht es politischen Willen, Kreativität und Mut."

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