Borussia Mönchengladbach:In der Halbzeit erzählt Rose "vom Pferd und der Apotheke"

Schachtjor Donezk - Borussia Mönchengladbach

Mit fünf Punkten führt Gladbach nun die Gruppe an.

(Foto: dpa)

Furioser Torrausch statt verspielter Führung: Bei Gladbachs 6:0 gegen Donezk geht Marco Roses Plan perfekt auf. Zunehmend rückt der Trainer in den Fokus größerer Klubs.

Von Ulrich Hartmann

Pferde können sich in Wahrheit nicht übergeben, weil das ein Schließmuskel am Mageneingang verhindert. Dass die Funktionsweise von Hohlorganen bei Nutztieren dennoch Halbzeit-Thema in der Kabine von Borussia Mönchengladbach war, liegt daran, dass sich Trainer Marco Rose mit Redewendungen fast so gut auskennt wie mit Fußball. Nachdem die Borussia eine Woche zuvor gegen Real Madrid spät eine 2:0-Führung verspielt hatte, wies Rose in der Pause der Partie bei Schachtjor Donezk darauf hin, dass man nach einem 4:0 theoretisch auch vier Gegentreffer in 45 Minuten kassieren könne: "In der Pause habe ich meinen Jungs vom Pferd und der Apotheke erzählt", sagte Rose später. Demnach sagte er: "Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen" - eine Redewendung, die verbildlicht: Nichts ist unmöglich!

Den Gladbachern hat diese Warnung geholfen. Sie haben ihre verblüffende 4:0- Führung nicht mehr hergegeben, im Gegenteil, sie haben sogar 6:0 gewonnen. Es war ein denkwürdiges Spiel in der 120-jährigen Historie von Borussia.

Hinterher sprachen die seligen Gladbacher gleich weiter über schlecht Verdauliches: Sahne wird ja trotz ihres Fettgehalts positiv konnotiert, weshalb Kapitän Lars Stindl den Stürmer Alassane Plea für dessen "Sahnetag" belobigte. Der 27 Jahre alte Franzose hatte drei der sechs Tore geschossen und ein weiteres vorbereitet. Weil er auch beim 2:2 gegen Real schon beide Treffer vorbereitet hatte, ist er mit sechs Scorerpunkten momentan einer der erfolgreichsten Spieler dieser Champions-League-Saison. Gegen Real war der französische Doppeltorschütze Marcus Thuram, 23, groß rausgekommen, nun also dessen Landsmann Plea. Wenn bullige Angreifer auf der Bühne der Königsklasse für Aufmerksamkeit sorgen, ist das gut für ihre Mannschaft, aber herausfordernd für die personellen Planungen ihres Klubs. Die Verträge beider Spieler gelten bis 2023, Ausstiegsklauseln soll es nicht geben.

Eine Überraschung im Kader ist derzeit Mittelfeldspieler Christoph Kramer. Der Weltmeister darf viel spielen und der Mannschaft Sicherheit geben, weil sich Denis Zakarias im März erlittene Knieverletzung hinzieht. Am Dienstag hat Kramer, 29, in seinem 14. Champions-League-Spiel sogar sein erstes Tor geschossen. Er konnte den niederländischen Schiedsrichter leider nicht überreden, ihn im Spielbericht als Torschützen zu empfehlen. Der stark abgefälschte Fernschuss zum 2:0 wurde von der Uefa offiziell als Eigentor gewertet - Kramer kann's verschmerzen.

Zum Objekt branchenweiter Begierde scheint sich allerdings ein ganz anderer Gladbacher Protagonist zu entwickeln: der Trainer Rose, 44. Wie der Chefcoach und seine Assistenten Alexander Zickler, Frank Geideck und René Maric die Mannschaft in den drei Champions-League-Spielen taktisch vorbereitet hatten, war herausragend. Bei Inter Mailand gingen die mutigen Gladbacher sechs Minuten vor Schluss 2:1 in Führung und fingen sich erst in der Schlussminute das 2:2. Gegen Real brachten sie eine fabelhafte 2:0-Führung nicht ganz ins Ziel. Beides war unglücklich. Gegen Donezk spielten sie bis zum Ende wie im Traum. Und trotz der zwei ärgerlichen Zwei-Punkte-Verluste führen sie nun mit fünf Punkten eine Gruppe an, in der man sie zur Halbzeit eigentlich auf Platz drei oder vier erwartet hatte.

Im Sommer hat sich der Klub dafür gefeiert, keine relevanten Spieler verkauft zu haben und dadurch spielerische Entwicklungsprozesse zu stabilisieren. Dann verloren die Borussen 0:3 in Dortmund, spielten 1:1 gegen Union Berlin - und man dachte: Nun ja ... In der Bundesliga hat Gladbach noch nicht vollends überzeugt, aber in der Champions League setzt dieser Kader sein Potenzial fast perfekt um. Rose sagte: "Wir haben gegen Donezk eine Menge, wenn nicht gar alles richtig gemacht." Die Spieler hatten seinen Matchplan bestens umgesetzt - und dieser Matchplan muss ziemlich gut gewesen sein.

In der vergangenen Woche hatten sich Rose und Sportdirektor Max Eberl über Medienberichte empört, wonach der Trainer ein Kandidat bei Borussia Dortmund sei. "Respektlos" seien solche Behauptungen, sagten beide. Seltsamerweise wird dieses Wort bei medialen Spekulationen über Trainerwechsel gern benutzt in einer Branche, in der kaum ein Arbeitnehmer seinen Vertrag erfüllt und rege Personalwechsel ein Teil der allgemeinen Geschäftsmodelle sind. Das Interesse großer Klubs an Rose wäre also weder respektlos noch unverständlich, gemessen an Gladbachs Auftritten in Europa. Damit hat sich Rose nicht nur für Dortmund interessant gemacht, sondern für noch größere Klubs.

Mit himmlischen Gedanken haben die Borussen also am Mittwoch den Heimflug genossen, doch Rose wird es nicht versäumen, seine Mannschaft auf den Boden zu holen. Trotz der drei guten Spiele ist in dieser Gruppe alles offen: "Im Grunde haben wir noch nichts erreicht", betonte Rose, "die drei Spiele, die kommen, werden alles entscheiden, und Schachtjor wird in Gladbach komplett anders auftreten." Doch den Borussen muss nicht bange sein, sie können Leistungen wie in der Ukraine wiederholen. Rose findet dafür Strategien und Redewendungen.

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