Reaktionen auf die US-Wahl:"Let's Celebrate!"

2020 NBA Finals - Game Six

Hier feiert LeBron James zwar den NBA-Titel 2020, doch sein Jubel über Bidens Wahlsieg steht dem in nichts nach.

(Foto: Douglas P. DeFelice/AFP)

Lady Gaga umarmt Joe Biden, LeBron James wird zur Symbolfigur. Selten haben sich so viele Prominente in einem US-Wahlkampf engagiert - und den vorläufigen Ausgang kommentiert.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Zum Beispiel LeBron James, mit dem sich Donald Trump noch am Tag vor der Wahl angelegt hatte. Der Präsident lästerte bei der Veranstaltung im Bundesstaat Pennsylvania über die vermeintlich schlechten Einschaltquoten der Basketballliga NBA, seine eigenen dagegen seien die höchsten der Geschichte. Das Publikum johlte, und dann skandierte es über den afroamerikanischen Basketballer aus dem Nachbar-Bundesstaat Ohio: "LeBron James sucks!" Auf gut deutsch: LeBron James ist scheiße! Trump beruhigte die Leute jedoch nicht, er badete in ihren Rufen: "Was für ein Publikum!"

Nun, da CNN und andere amerikanische TV-Sender Joe Biden zum Sieger erklärt haben, hat sich auch James geäußert, auch wenn das offizielle Ergebnis der Wahl noch aussteht. Er veröffentlichte das legendäre Foto von der Finalserie im Jahr 2016, als er mit Cleveland den Titel gewann und kurz vor dem Ende der entscheidenden Partie einen Wurf des Gegners abwehrte; nur ist nun der Kopf von Joe Biden auf seinen Körper montiert, und der blockt Trump (auf den Körper von Andre Iguodala gephotoshopped) auf demütigende Weise.

Davor veröffentlichte er ein Foto von sich, wie er genüsslich an einer Zigarre zieht.

Und er zitierte die Regisseurin Ava DuVernay, die einen Moment aus Trumps TV-Karriere zeigte - nämlich jenen, in dem er in der Reality-Show The Apprentice sagte: "You're fired!" Du bist gefeuert!

James' Initiative More Than A Vote veröffentlichte, dass gerade in urbanen Gegenden wie Philadelphia, Detroit, Milwaukee und Atlanta so viele Afroamerikaner gewählt hätten wie nie zuvor. Er kommentierte diese Zahlen mit Emojis für Applaus und nach oben gestreckten Fäusten. Zur Wahl selbst sagte er lange nichts, er weiß als Sportler: nur nicht zu früh freuen.

Es hatten sich diesmal so viele Promis wie nie zuvor zu einer Präsidentschaftswahl geäußert, was eine Abkehr von der Regel Michael Jordans darstellte, James' Vorgänger als prägender NBA-Akteur, sich aus kommerziellen Grünen zurückzuhalten. Der sagte einst: "Republikaner kaufen auch Schuhe." Dwayne "The Rock" Johnson, der davor eigenen Angaben zufolge bereits für beide politischen Seiten gestimmt hatte, gab eine Empfehlung für Biden ab, Lady Gaga und Alicia Keys traten mit Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris auf - und Lady Gaga veröffentlichte nun bereits ein Bild, auf dem sie Biden umarmt.

Bruce Springsteen, dem man nun wirklich nicht vorwerfen kann, linksliberal zu sein, machte Wahlkampf gegen Trump: Er veröffentlichte mit Autor Don Winslow ein rührendes Video zu "Streets of Philadelphia", das zeigt, wie der Amtsinhaber den Bundesstaat Pennsylvania zerstört habe und keinesfalls noch einmal gewinnen dürfe. Danach folgte ein Video über Biden.

In Trumps Ecke: der Musiker 50 Cent, der vor den Steuerplänen Bidens warnte und damit für das Meme sorgte, dass Biden dem Rapper den Künstlernamen 20 Cent verpassen wolle - er schrieb danach allerdings, dass Trump nun wohl Rechtsbeistand brauche.

Schauspielerin Kirstie Alley warnte vor der Wahl davor, dass Trumps Herausforderer die Mittelschicht zerstören werde - am Wahlabend schrieb sie auf Twitter, dass sie zuversichtlich sei, dass Trump gewinnen werde, und sie zweifelte die Rechtmäßigkeit der Wahl an: "Die Swing States sind die, die nun Probleme beim Zählen haben? C'mon."

Das tat auch Schauspieler Stephen Baldwin, dessen Bruder Alec in der Satire-Sendung Saturday Night Live als Trump-Parodie auftritt, er tanzte zum Lied "Donald Trump Is Your President" bei Instagram, Kollege Kevin Sorbo beteiligte sich wie Sängerin Kaya Jones dagegen an Spekulationen um Wahlbetrug gegen Trump. "Die wollen den Präsidenten zum Schweigen bringen", schrieb sie bei Twitter, und veröffentlichte sie ein Statement von Trump.

Nur Gesamtkunstwerk Kanye West war, natürlich, für Kanye West: "Ich stimme heute zum ersten Mal bei der Präsidentschaftswahl ab - für einen, dem ich wirklich vertraue: mich." Er musste am Dienstag seine bittere Niederlage eingestehen (er bekam insgesamt nur ein wenig mehr als 60 000 Stimmen), kündigte aber sogleich an, es in vier Jahren erneut versuchen zu wollen: "Kanye 2024", schrieb er bei Twitter mit einem Bild von sich und der Farbe seiner, nun ja, Partei: Tiffany's-Türkis.

Die Rolle von LeBron James ist deshalb derart symbolisch, weil er eben nicht nur Profisportler ist, sondern ein Beispiel für den gesellschaftlichen Aufstieg von Afroamerikanern. Seine Mutter Gloria war zum Zeitpunkt der Geburt vor 35 Jahren 16 Jahre alt, der Vater hatte sich längst verdrückt. James wuchs in armen Verhältnissen auf, zeitweise lebte er bei einem Footballtrainer. Mittlerweile gilt er als einer der besten Akteure der Basketball-Geschichte, und mehr noch: Er ist eine wichtige Stimme der Afroamerikaner, in seinem Heimatort Akron hat er für 25 Millionen Dollar eine Schule gebaut, in Los Angeles bastelt er an einem Medien-Imperium, das vor allem Minderheiten fördern soll. Vor allem aber ist er einer, der sich zu gesellschaftlich relevanten Themen äußert.

So wurde er, eher unfreiwillig, zur Zielscheibe für Trump. Als er sich zu Themen wie systematischem Rassismus oder Polizeigewalt äußerte, sagte die konservative Fox-News-Moderatorin Laura Ingraham: "Shut up and dribble!" - Halt's Maul und dribbel. James schwieg nicht, er sagte: "Trump hat Hass salonfähig gemacht." Oder: "Er missbraucht Sport, um uns auseinanderzutreiben." Er nannte den Präsidenten auch mal einen "Penner", als Trump so tat, als hätte er im Jahr 2017 den Meister Golden State Warriors ausgeladen.

Während der NBA-Saison in Florida war der Spruch Black Lives Matter auf dem Parkett zu sehen, die Spieler trugen Botschaften wie "Geh' wählen" auf den Trikots. Nach Schüssen auf den Afroamerikaner Jacob Blake trat die Liga in einen Streik, James wollte die Saison gar beenden, eine der Forderungen fürs Weiterspielen: Die NBA-Arenen, in denen dies möglich ist, werden zu Wahllokalen umfunktioniert.

Vor ein paar Tagen dann die ganz konkrete Empfehlung von James an seine Fans: "Bitte stimmt für Joe Biden!" Am Tag vor der Wahl veröffentlichte er ein Gemälde von Biden und Harris bei Instagram, am Dienstag forderte er die Leute auf, ihre Stimme abzugeben, später zeigte er das Video einer Frau, die in New York nicht wählen durfte, obwohl sie pünktlich gekommen war.

Die Vorsicht von James, sich nur ja nicht zu früh zum Ausgang der Wahl zu äußern, teilten viele seiner Kollegen. Model Chrissy Teigen fing vor Aufregung an zu kochen: "Keine Sorge, alles gut hier." Die Komiker Ben Schwartz ("Das ist wie bei einem Finale, bei dem auf der kaputten Anzeigetafel irgendwelche Nummern gezeigt werden") und Jimmy Kimmel ("Das ist, als würde man die eigene Operation wach verfolgen") flüchteten sich in Sarkasmus. Rapperin Cardi B. dagegen veröffentlichte ein Video von sich, das nun symbolisch dafür steht, wie es den meisten Amerikanern, unabhängig von der politischen Präferenz, an diesem Abend ging: Sie steckt sich drei Zigaretten gleichzeitig in den Mund und zieht genervt daran.

Als es dann so weit war, da war es aber doch LeBron James vorbehalten, wieder zum Symbol dafür zu werden, wie es vielen Amerikanern gerade geht. Er veröffentlichte ein Video aus dem Bundesstaat Pennsylvania, in dem Leute wild tanzen. "Let's celebrate", schrieb er dazu, fügte indes an: "Aber verantwortungsbewusst."

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