Ausstellung über Poing:Licht und Schatten

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"Poing bei Nacht": Martin Köbele setzt seinen Heimatort in ungewohnter Weise in Szene.

Von Johanna Feckl

Nachts sind alle Katzen grau. Anders formuliert: Wenn es dunkel ist, dann sieht für das menschliche Auge so ziemlich alles gleich aus. Oder? Jein. Es ist tatsächlich unmöglich, ohne jegliche Lichtquelle Form und Farbe einer Katze auszumachen. Aber nachts gibt es sehr wohl Lichtquellen, nur eben andere als bei Tag. Wer das nicht glaubt, dem sei die Foto-Ausstellung von Martin Köbele empfohlen, die es derzeit im Poinger City-Center zu sehen gibt. Der 42-Jährige hat unter dem Motto "Poing bei Nacht" 45 Fotografien zusammengestellt, die zeigen, wie der Ort bei Nacht in einem ganz neuen Licht erscheint - im wahrsten Sinne des Wortes.

Die katholische Kirche in Poing mitsamt Milchstraße, umrahmt von Blättern und Gestrüpp, zählt zu Martin Köbeles Lieblingswerken. (Foto: Martin Köbele)

Martin Köbele geht ein paar Schritte und bleibt vor den beiden Fotos, die seine Favoriten des Zyklus sind, stehen. Das eine zeigt im unteren Drittel die hell erleuchtete katholische Pfarrkirche Seliger Pater Rupert Mayer aus einer Froschperspektive - also "von-unten-nach-oben" oder aus der Untersicht, wie es in der Fotografie-Sprache heißt. Umringt ist das preisgekrönte Kirchenbauwerk von Blättern und Gestrüpp, mittig erstrahlt der Sternenhimmel, mitsamt Milchstraße und Sternschnuppe. Alles ist absolut klar auszumachen, ununterscheidbar oder gar katzengrau ist hier gar nichts. Verschiedene Farben und Schattierungen sind deutlich zu erkennen. Die glühend weiße Kirche, orange-bräunlich schimmernde Blätter und Gestrüpp, der nächtliche Sternenhimmel in diversen Abstufungen eines satten Blaus. Die Komposition der Farben und Formen wirkt beruhigend, unaufgeregt, friedvoll. Assoziationen also, die nicht unbedingt sofort aufploppen, wenn man an Nacht und Dunkelheit denkt.

Gleiches gilt für das andere Foto, das Martin Köbele zu seinen Lieblingsarbeiten zählt. Die Skyline von Poing ist dort nur auf einem schmalen Streifen am unteren Bildrand zu erkennen. Darüber erstreckt sich der Nachthimmel. Genau genommen ist dieses Bild gar nicht ein Bild, sondern das Ergebnis aus 24 übereinandergelegten Bildern des gleichen Motivs bei identischer Kameraeinstellung zu unterschiedlichen Zeitpunkten fotografiert. Abgesehen von einem weiteren Foto ist das hier das einzige Mal, dass Köbele ein ausgestelltes Werk nachträglich bearbeitet hat, wie er selbst erklärt. Bildinhaltlich habe er jedoch nirgends Veränderungen vorgenommen, die zu sehenden Farben und Formen sind das Originalergebnis seiner Aufnahmen. Durch das Übereinanderschichten der 24 Fotos vom Poinger Nachthimmel ist ein Muster der Sternreflexionen entstanden: Unzählige hauchdünne und kurze Linien, als ob jemand einen Zirkel angesetzt und den Radius stetig ein Stückchen vergrößert hätte, bis am Ende etwas entstanden ist, das an ein Mandala erinnert, so abstrakt und gleichmäßig verlaufen die dargestellten Linien.

Für seine Nachtfotografien war Köbele auf der Suche nach bekannten Punkten in Poing, um sie aus ungewöhnlichen Blickwinkeln einzufangen, wie zum Beispiel die neue Gleisunterführung am S-Bahnhof. (Foto: Martin Köbele)

"Langzeitbelichtung", sagt Martin Köbele. Das sei der Schlüssel zu seinen Werken, die im City-Center ausgestellt sind. Mit Hilfe dieser Methode sei es möglich, Dynamiken in einem Bild festzuhalten, obwohl die Lichtverhältnisse eher düster sind, erklärt der Fotograf. Genau das wollte er erreichen: Eine Art Widerspruch darstellen, Bewegung trotz Stillstand, Farbtöne trotz Schatten, Konturen trotz Dunkelheit. Das hat viel Zeit und Mühen gekostet. Denn freilich eignet sich nicht jeder Ort und jede Perspektive, um genau das herauszukehren. "Ich habe mir da ganz schön viele Nächte um die Ohren geschlagen", sagt Köbele. Und: "Man muss den Mut haben, auch mal was für die Tonne zu produzieren."

Das klingt hart. Beinahe, als ob es Zufall wäre, wann es zu einem gelungenen Foto kommt. Ist es das? Nein, auf keinen Fall. Das macht er auch sehr deutlich. Der Autodidakt, der tagsüber Teamleiter in einem Software-Unternehmen ist, hat viel Zeit damit verbracht, sich mit der passenden Technik und Methodik für Nachtfotografie auseinanderzusetzen. Bei Tageslicht ging er auf seine ersten Streifzüge, um geeignete Spots zu finden. Per App hat er sich dann ausgerechnet, wann Sterne und Planeten in der Position zu sehen sind, die er in dem jeweiligen Foto am Ende festhalten möchte. So erklärt der zweifache Familienvater sein Vorgehen. Und trotzdem, erklärt der poinger, könne es passieren, dass manch ein Bild dann einfach nicht so aussieht, wie zuvor gedacht. Abhaken, weitermachen.

Der Künstler Martin Köbele. (Foto: Christian Endt)

Die meisten ausgestellten Fotos sind im Frühjahr entstanden, manche aber auch schon im Jahr 2018. Auch wenn "Poing bei Nacht" seine erste öffentliche Ausstellung ist, so ist Köbele dennoch kein unbeschriebenes Blatt in der Fotografie. Er ist erfahren in der Porträt- und Tierfotografie - viele Werke aus letzterem Bereich sind im Poinger Wildpark entstanden - sowie als Hochzeitsfotograf. Zusammen mit der Nachtfotografie sind das sehr unterschiedliche Arten der Fotografie. "Engstirnig sein ist nicht meine Art", erklärt Köbele. "Ich brauche den breiten Blick."

Dieser breite Blick, Dinge auch einmal nicht in ihrer gewöhnlichen Erscheinung wahrnehmen und festhalten - das ist es, was sich durch "Poing bei Nacht" durchzieht. Köbeles Spiel mit Belichtungen und Perspektiven hat so manch eine Ansicht entstehen lassen, die wohl selbst ein alteingesessener Poinger erst nach dem zweiten oder dritten Betrachten in seiner Heimatgemeinden zu verorten vermag.

Zu sehen ist "Poing bei Nacht" im City-Center in Poing sowie als Online-Ausstellung auf poing.de unter dem Reiter "Leben & Freizeit" und der Auswahl "Kultur" bis Samstag, 21. November.

© SZ vom 09.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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