Online-Lesung:Abwechslung

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(Foto: Lucia Hunziker)

Von Christiane Lutz

Hörbücher sind ja oft eine mäßig überraschende bis öde Angelegenheit. Ein Schauspieler, eine Schauspielerin liest einen Roman von vorn bis hinten vor, groovt sich auf eine Stimmtemperatur ein, sagt immer "Kiache" statt "Kirche", irgendwann gewöhnt man sich daran. Anders ist da das frei zugängliche Hörbuch des Romans "Annette, ein Heldinnenepos" von Anne Weber, den die Schauspielerinnen des Residenztheaters jetzt in der theaterfreien Zeit eingelesen haben. Jeden Tag eine halbe Stunde, jeden Tag eine völlig neue Stimme. Barbara Horvath etwa liest, als wickle sie in eine sehr weiche Decke ein, Mareike Beykirch (unser Bild) staunt beim Lesen scheinbar selbst ob der Wucht der Geschichte, Lisa Stiegler dann bleibt zurückhaltend. So, als beobachte sie Text und Hörer von der gegenüberliegenden Seite des Raumes aus.

Diese herrlich unterschiedlichen Interpretationen verändern beim Zuhören selbst immer wieder die Haltung zur Geschichte. Wie nah darf, will man ihr kommen, der Heldin? Es geht um die Französin Anne Beaumanoir, geboren 1923 in der Bretagne, die erst gegen Hitler und dann auf der Seite der algerischen Unabhängigkeitsbewegung Widerstand leistete und dafür zehn Jahre im Gefängnis saß. Anne Weber hat diese unglaubliche Lebensgeschichte sehr strebsam und ambitioniert in epische Verse verpackt. Was, wenn man mal ehrlich ist, zum Selbstlesen mehr Germanistikstudium denn Vergnügen ist. Also verzichtet man aufs Stocken bei den vielen Zeilenumbrüchen, überlässt das Profis vom Residenztheater und lauscht. Die angenehmste Weise, sich nebenbei auch noch den aktuellen Deutschen Buchpreistitel 2020 draufzuschaffen.

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