Spanien:Aus Liebe zur Kunst

Immer wieder werden Denkmäler verunstaltet - von selbsternannten Restauratoren und verirrten Kulturliebhabern. Nun wurde ein neuer Fall bekannt, der dem berühmten "Affen-Christus" von Borja erstaunlich ähnelt.

Von Karin Janker, Madrid

Spanien ist reich an Kunstschätzen und es ist reich an Kunstliebhabern. Manche Spanier lieben die Kunst so sehr, dass sie gerne einen Teil dazu beitragen, dass alte Werke in neuem Glanz erstrahlen. Besonders schlimm traf es die Heilige Anna aus der Dorfkirche von Rañadoiro. Eine Nachbarin verpasste ihr nicht nur einen pinkfarbenen Umhang, sondern auch rote Fingernägel. Die mittelalterliche Holzfigur war etwas abgegriffen, ehe die Kirchgängerin sie mit Pinsel und Industriefarbe bearbeitete. Die Frau habe in bester Absicht gehandelt, versicherte der Pfarrer, als die Lokalzeitung über den "Ecce Homo von Asturien" berichtete.

Der heilige Georg, der Erzengel Michael, die Jungfrau Maria - in Spanien wurden schon derart viele Kunstwerke durch selbsternannte Restauratoren verschandelt, dass sich dafür ein eigener Begriff etabliert hat: "Ecce homo", eine Anspielung auf den berühmtesten Fall einer missglückten Restaurierung, das Christus-Fresko in Borja. Der Heiland sieht seit der Intervention einer Rentnerin vor acht Jahren aus wie ein Äffchen. Das Original dahinter ist wohl unrettbar.

Eben dieser "Ecce homo" hat nun einen Doppelgänger: eine Fassadenfigur an einem denkmalgeschützten Haus im nordspanischen Palencia. Passiert ist der Pfusch wohl schon vor Jahren, publik wurde er, als nun ein ortsansässiger Künstler Fotos des Reliefs ins Internet stellte. Das ehemals filigrane Sandstein-Gesicht einer Magd trägt bereits den Spitznamen "Kartoffelkopf". Weit auseinanderstehende Augen, Knopfnase und leicht geöffneter Mund - die Ähnlichkeit zum "Ecce homo" von Borja ist unverkennbar.

"Ich sehe eine gewisse Verwandtschaft, aber diese Figur ist womöglich älter", sagt Fernando Carrera, Professor für Denkmalpflege. Von einer Nachahmungstat sei nicht auszugehen. Carrera vermutet eher, dass sich ein Maurer bei der Erneuerung der Fassade überschätzt habe.

Bisweilen mag es Selbstüberschätzung sein, bisweilen übertriebene Heiligenverehrung - Carrera zufolge werden die "Ecce homo"-Fälle zur Bedrohung für Spaniens Kulturdenkmäler: "Das ist keine Restaurierung, das ist ein Anschlag." Spaniens Dorfkirchen sind voll von Heiligenfiguren, manche von hohem kunsthistorischen Wert. Gleichzeitig ist nicht gesetzlich geregelt, wer antike Werke restaurieren darf.

"Hier entsteht ein Schaden, der nicht wiedergutzumachen ist", sagt Carrera. Schuld sei ein verirrtes Kunstverständnis. "Als schön gilt, was neu aussieht und glänzt." Für den kunsthistorischen Wert fehle den selbsternannten Restauratoren oft jedes Gespür. Für die Proportionen eines menschlichen Gesichts offenbar auch.

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