Länderspiel gegen die Ukraine:Sternfahrt der Superspreader

Lesezeit: 2 min

Sie durften spielen: Die Nationalmannschaften aus Deutschland (links) und der Ukraine. (Foto: REUTERS)

Fünf Coronafälle, gespielt wird trotzdem: Für die Gesundheit des Fußballs war die Austragung des Spiels zwischen Deutschland und der Ukraine ein schwer verantwortbares Risiko.

Kommentar von Christof Kneer, Leipzig

Das Gute für den Fußball ist ja, dass er diesen Vergleich im Moment nicht hören muss: Dass er seine Fußballspiele austragen darf, während die Kita-Schaukel stillstehen muss. Dieser Vergleich war im Sommer ausgesprochen populär, aber trotzdem nicht ganz fair, weil man die größte Unterhaltungsindustrie des Landes natürlich nicht mit einem pädagogischen Betrieb gleichsetzen kann. Im Mai, im Juni und auch jetzt im September, Oktober oder November hatte und hat der Profifußball dasselbe Recht wie jede andere Branche, er hat das Recht, es zumindest zu versuchen: mit diesem Virus zu leben. Wenn man es gut mit dem Fußball meint (und das darf man ja auch mal), dann hat er dem zugeschlossenen Land im Frühsommer auf großer Bühne gezeigt, dass das Leben weitergehen darf, und er hat dafür sogar ein paar offenkundig professionelle Hygienekonzepte entworfen, die in anderen Ländern als typisch "made in Germany" begriffen und begeistert abgekupfert wurden.

Schnitt. Und nun zum Länderspiel nach Leipzig.

DFB-Elf in der Einzelkritik
:Leroy Sané wird tatsächlich eingeholt

Der schnelle Stürmer trifft, erlebt aber einen ungewohnten Moment. Antonio Rüdiger regt sich mächtig auf. Die DFB-Elf in der Einzelkritik.

Von Tim Brack

Auch in Leipzig hat sich der Fußball entschieden, es zu versuchen, aber nach Lage der Dinge hat er diesmal nicht die richtige Entscheidung getroffen. Ja, es stimmt, Absagen oder Boykotte sehen meistens aus wie Niederlagen, und niemand verliert gerne, schon gar nicht im Sport - in diesem Fall aber hätte sich der Fußball mit einer Absage wohl einen Gefallen getan. Denn mit dem Virus zu leben, heißt auch, zu differenzieren: Es sollte inzwischen bekannt sein, dass Länderspiele in virologischer Hinsicht etwas grundlegend anderes sind als Bundesligaspiele. In der Bundesliga bewegen sich die Spieler in ihrer weitgehend bewährten Blase, Länderspiele hingegen gleichen Superspreader-Sternfahrten, in denen - zum Beispiel - die ukrainischen Spieler heute in Chorzow in den Flieger und morgen in Leipzig in den Bus steigen.

Der Bundesliga wird diese Debatte überhaupt nicht Recht sein

Das heißt natürlich nicht, dass man jetzt alle Länderspiele abschaffen und der VfB Stuttgart seinem argentinischen Stürmer Nicolas Gonzalez die Reise nach Südamerika verbieten muss - es heißt aber, dass man mit fünf Positivfällen innerhalb einer Nationalmannschaft, in diesem Fall der ukrainischen, anders umgehen sollte als mit einem Positivfall bei einem Bundesligateam.

Was man von diesem Länderspiel in Leipzig wirklich zu halten hat, wird man womöglich erst in einigen Tagen, nach Ablauf der geschätzten Inkubationszeit, abschließend beurteilen können, aber eines dürfte abseits jeder virologischen Logik bereits jetzt feststehen: Für die Gesundheit des Fußballs war die Austragung dieses Spiels ein schwer verantwortbares Risiko.

Niemand kann von der Öffentlichkeit präzise Differenzierungen verlangen, und so muss man kein Prophet sein, um die öffentlichen Debattenmuster vorherzusehen: Dieser unverbesserliche Profifußball, wird es heißen, der zieht sein Ding wieder mal ohne Rücksicht auf Verluste durch, nur wegen dieser zehn Millionen Euro, die der DFB angeblich von den TV-Anstalten kassiert - und das in einer Zeit, in der Kanzlerin Angela Merkel die Nation auf härtere Zeiten vorbereitet und das Land wieder eher zu- als aufmacht. Der Bundesliga wird diese Debatte überhaupt nicht Recht sein, zurecht - sie ist es nämlich, die nun wegen eines Länderspiels in Erklärungsnot gerät, wenn sie ihren Betrieb in den nächsten Wochen aufrechterhalten möchte.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Deutsche Nationalelf
:Drei Pfostentreffer als Symptome

Mit dem 3:1-Sieg gegen die Ukraine stößt das DFB-Team die Tür zum Final-Four-Turnier der Nations League weit auf. Aber es zeigt sich auch: Die Defensivabteilung bedarf noch einiger Justierungen.

Von Javier Cáceres

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: