Nach 70 Jahren:Rabattgesetz endgültig abgeschafft

Das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung treten nach fast 70 Jahren außer Kraft.

Christiane Wirtz

(SZ vom 14.07.2001) Der Bundesrat hat am Freitag der ersatzlosen Streichung beider Regelungen zugestimmt. Nach der Verkündung der Gesetzesänderung verlieren die bisherigen Bestimmungen voraussichtlich Anfang August ihre Gültigkeit.

Auch nach der Streichung der beiden Gesetze werde es in deutschen Geschäften allerdings nicht zugehen "wie auf einem orientalischen Basar", sagte Stefan Schneider, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE).

Strategien nicht offen legen

Zum einen sei der Aufwand zu groß, jeden einzelnen Preis zu verhandeln. Zum anderen könnten Rabatte nicht beliebig gewährt werden, weil dies mit der Rendite nicht zu vereinbaren sei. Verlässliche Zahlen dazu, wie viele Händler in Zukunft von der Möglichkeit der Rabattgewährung Gebrauch machen werden, gibt es laut HDE nicht.

"Die Händler wollen ihre Strategien noch nicht offen legen", sagte Schneider. Ein besonderes Problem sieht der HDE in der ersatzlosen Streichung der Zugabeverordnung.

Nach der bisherigen Rechtslage konnten Händler ausnahmsweise geringwertige Kleinigkeiten oder handelsübliche Zubehörteile als Zugabe zu einem gekauften Produkt gewähren. "Diese Regelung war zu eng", sagte Schneider.

Mit ihrem vollständigen Wegfall aber bestehe das Risiko, dass Kombinationen von Haupt- und Nebenprodukt angeboten würden, die allein der Ablenkung des Käufers dienten. Ein Zusammenhang zwischen gekauftem und zugegebenem Produkt müsse daher gesetzlich festgeschrieben werden.

Die Bundesregierung sagte dazu, dass sie die Entwicklung bei den Zugaben genau beobachten werde. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller zeigte sich aber überzeugt, dass auch ohne zusätzliche Regelungen künftig "ein hohes Verbraucherschutzniveau gesichert" werde.

Transparenz des Marktes gefährdet?

Verbraucherschützer und Händler sehen dagegen die Transparenz des Marktes gefährdet. "Auch in Zukunft müssten Händler dazu verpflichtet sein, die Kunden über Möglichkeiten, Voraussetzungen und Wert von Vergünstigungen zu informieren", forderte Schneider. Der Wirtschaftsreferent beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, Dirk Klasen, räumte ein, dass die Änderung für die Kunden kurzfristig einige Vorteile biete.

Langfristig aber werde sich die Kauflandschaft zum Nachteil der Verbraucher verändern. "Für kleine und mittlere Händler wird es immer schwerer, sich gegen die großen Unternehmen zu behaupten."

Denn nur die finanzstarken Konzerne könnten sich auf lange Sicht kosten- und arbeitsintensive Kundenbindungssysteme, wie zum Beispiel Kunden- oder Bonuskarten, leisten. Zudem warnte Klasen vor übertriebenen Erwartungen: "Man muss sich darauf einstellen, dass kein Verkäufer etwas zu verschenken hat."

Feilschende Kunden

In den Unternehmen werden die Mitarbeiter derweil auf den Umgang mit feilschenden Kunden vorbereitet. "Um Rabatte gewähren zu können, müssen sie sich in Zukunft nicht nur mit dem Produkt selbst, sondern auch mit seiner betriebswirtschaftlichen Kalkulation auskennen", sagte Schneider.

Der HDE kritisierte auch den Zeitplan der Gesetzesänderung. Die Neuregelung tritt während des Sommerschlussverkaufs in Kraft. Schnäppchenjäger können sich aber nicht auf einen ganzjährigen Schlussverkauf freuen. Die Sonderverkäufe im Sommer, im Winter, zu Jubiläen oder zur Geschäftsräumung eröffneten den Händlern weiterhin Möglichkeiten, die ihnen sonst das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verwehre, sagte Schneider.

Das seit dem Jahr 1933 geltende Rabattgesetz verbietet es grundsätzlich, dem Endverbraucher Preisnachlässe auf Waren oder Dienstleistungen zu gewähren.

Nach der Zugabeverordnung, die seit 1932 in Kraft ist, dürfen Händler in der Regel keine Waren oder Dienstleistungen zusätzlich zu dem gekauften Produkt gewähren. Die Bestimmungen waren als Reaktion auf die zum Teil grotesken Marktverhältnisse in den zwanziger Jahren erlassen worden, als hohe Nachlässe auf überhöhte Preise besonders günstige Einkäufe vorspiegeln sollten.

Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums war die Gesetzesänderung im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie zum e-commerce notwendig geworden. Mit der Richtlinie werden einheitliche Rahmenbedingungen für den Austausch von Waren und Dienstleistungen mittels Internet geschaffen. Gemäß diesen Bestimmungen gilt für ausländische Unternehmen das Recht ihres Herkunftslandes.

Nachteile für deutsche Unternehmen

Ein grundsätzliches Rabattverbot wie in Deutschland aber existiert in keinem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Für deutsche Unternehmen würden daher Wettbewerbsnachteile entstehen, wenn ausländische Internetanbieter Rabatte gezielt als Vertriebs- und Marketinginstrumente einsetzen.

Ein weiterer Grund für die ersatzlose Streichung war, dass beide Gesetze in der Praxis von Händlern und Verbrauchern zunehmend unterlaufen wurden.

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