Interview mit früherem US-Präsidenten:Lanz trifft Obama und dessen Charisma

Barack Obama im Interview mit Markus Lanz

Gespräch mit gegenseitigen Schmeicheleien: Barack Obama im Interview mit Markus Lanz.

(Foto: ZDF)

Der frühere US-Präsident darf im Gespräch mit dem Moderator seine Memoiren präsentieren. Und bietet eine Erklärung für seine eigene Wahl - und die seines Nachfolgers Trump.

TV-Kritik von Willi Winkler

Es gibt wahrlich größere Verbrechen, als sich in Barack Obama zu verlieben: Der Mann sieht gut aus, kleidet sich beiläufig elegant, er ist eloquent, vermutlich riecht er auch gut, aber selbst das macht aus einem bewundernden Interview mit ihm noch keine größere journalistische Leistung.

Maybrit Illner wies am Ende ihrer Sendung zu Recht darauf hin, dass Markus Lanz "eine leichte Aufgabe" erwarte, wenn er gleich anschließend mit Obama spreche. Das Gespräch, das dann folgte, war bereits vor ein paar Tagen in einem Hotel in Washington aufgezeichnet worden, dreißig Minuten für tausend Seiten Buch. Obama, vor vier Jahren aus dem Amt geschieden, ist nämlich auf Tournee, er wirbt für sein Buch "Ein verheißenes Land". Das ist der erste Band seiner Memoiren aus der Präsidentschaftszeit, die unter die Leute gebracht werden wollen. Der Verlag Penguin Random House, der für die Erinnerungen des Ehepaars Barack und Michelle Obama die Summe von insgesamt 65 Millionen Dollar bezahlt hat, möchte vermutlich auch ein bisschen was verdienen.

Lanz schwärmte bereits in der Einleitung vom Charisma Obamas, und als er dann mit beiden, mit Obama und dessen Charisma, vor der Kamera saß, erwies sich sein Schwärmen als berechtigt. Als höflicher Mensch fragte Obama Lanz nach dessen Sendung ("Ah, schon zwölf Jahre"), glaubte sogar zu wissen, dass er bei seinen Zuschauern sehr beliebt sei, was Lanz zwang, auf der Stelle zurückzuloben und dem präsidialen Autor nicht bloß zu attestieren, er sei eine "revolution" gewesen, sondern ihn auch noch für "great writing" zu preisen.

"Ich wurde Präsident, weil ich eine gute Erzählung anzubieten hatte"

Das ist wahrscheinlich gar nicht groß geschmeichelt, und eine halbe Stunde für ein einziges Buch ist mehr, als sich ein "Literarisches Quartett" leistet. Da dreißig Minuten dann doch ein bisschen wenig sind, um die Bankenkrise von 2008, die Kriege in Afghanistan und im Irak, die erste Nacht im Weißen Haus und den unvermeidlichen Donald Trump abzuhandeln, seine Frau und Joe Biden zu loben, das gespaltene Amerika zu beklagen und Covid-19 nicht zu übergehen, gab es eine Nachbetrachtung mit zwei Experten aus der dritten Reihe - Thomas Gottschalk und Sigmar Gabriel waren bereits bei Maybrit Illner vernutzt worden. Nach der realen Gegenwart des so anhaltend charmanten Obama war das ein Sprung ins Abklingbecken.

Zuvor hatte Barack Obama ganz nebenbei bewiesen, dass er nicht nur ein begnadeter Erzähler, sondern auch als Hermeneutiker nicht schlecht ist. Er begnügte sich nämlich nicht damit, seinen Nachfolger, der demnächst der Vorgänger von Joe Biden sein wird, für die Spaltung und ganz allgemein für den intellektuellen und gesellschaftlichen Niedergang des Landes verantwortlich zu machen. "Die Menschen", erläuterte er, "wählen nicht mehr eine faktisch begründete Politik, sondern Geschichten. Ich wurde Präsident, weil ich eine gute Erzählung anzubieten hatte."

Er meinte seine außergewöhnliche, dabei aber in seiner eigenen Deutung zutiefst amerikanische Geschichte: Wie es jemand, dem alle Voraussetzungen für den Aufstieg und die gesellschaftliche Anerkennung zu fehlen scheinen, in Amerika eben doch schaffen kann. Mit dieser Geschichte hat er 2008 und 2012 die Mehrheit der Wähler überzeugt, und wegen genau dieser Geschichte trauern ihm viele nach. Obama wusste auch, wie es weiterging mit diesem Amerika: "Die Trump-Wähler finden sich in seiner Geschichte wieder."

Auch Merkel vergaß Obama nicht

Warum das so ist, warum ein erfolgreicher Hochstapler wie Donald Trump 2016 zum amerikanischen Präsidenten gewählt werden konnte und warum 2020 sogar noch mehr Amerikaner für ihn stimmten, das wurde dann leider nicht mehr erörtert.

Markus Lanz musste noch eine "letzte Frage" loswerden, nämlich wie sehr Frauen seinen Charakter geformt hätten. Das haben sie, bestätigte Barack Obama, das haben sie wirklich, und er lobte sie dafür ausführlich, so wie er Kamala Harris lobte und auch Angela Merkel nicht vergaß. Der Mann hat einfach Charisma.

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