Italien:Ausgestreckte Hand zum Erzrivalen

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Könnte zum Garanten der Regierungskoalition seiner Gegner werden: Ob es Silvio Berlusconi damit um Beistand in der Krise geht oder um Geschäftsinteressen, fragen sich nun viele in Italien. (Foto: Alessandra Tarantino/dpa)

Berlusconi bietet der Regierung seine Hilfe an - und verärgert damit seinen Oppositionspartner Salvini.

Von Oliver Meiler, Rom

Italiens Politik verläuft selten linear, eher im Gegenteil. Die jüngste Kurve schlägt Silvio Berlusconi, mittlerweile 84 und immer noch Chef der oppositionellen Partei Forza Italia: Er bietet sich der Regierung aus Cinque Stelle und dem sozialdemokratischen Partito Democratico, also seinen jetzigen und früheren Erzrivalen, als Helfer an. Berlusconi argumentiert, das seien nun mal schwierige Zeiten - Zeiten für verantwortungsvolles Politisieren. Im Kampf gegen die Seuche, die er selbst überlebt hat, müsse man zusammenarbeiten, miteinander reden, über alte Gräben springen, befindet er. Er sei deshalb auch bereit, den Haushaltsplan der Regierung für 2021 mitzutragen.

Dagegen lässt sich eigentlich wenig einwenden, gäbe es nicht noch eine alternative Interpretation der plötzlichen Handreichung. Vor einigen Tagen hat der Senat, Italiens kleinere Parlamentskammer, eine Norm verabschiedet, die Berlusconis privates Familienunternehmen Mediaset vor einer feindlichen Übernahme durch den großen französischen Telekommunikations- und Medienkonzern Vivendi schützen soll. Der Kampf läuft seit vier Jahren schon. Vivendi steht nun bei 29 Prozent der Anteile, die Berlusconis besitzen 44 Prozent des Kapitals. Eingebracht hatte den Passus im Gesetz die Regierung von Premier Giuseppe Conte - für die Bewahrung von Arbeitsplätzen, hieß es, und gegen eine allzu starke Präsenz der Franzosen in einem politisch sensiblen Markt: Vivendi hat schon das Sagen bei Telecom Italia.

Das Fortleben der Regierungskoalition könnten schon ein paar Dutzend Forza-Italia-Abgeordnete garantieren

Doch hochpolitisch ist auch alles, was Berlusconis private Interessen betrifft. Matteo Salvini von der rechten Lega, sein Partner in der Opposition, ließ schon zwei Mal gegen die neue Norm stimmen, weil er vermutet, dass sie ein Pfand für Berlusconis Kapriole ist, das Gegengeschäft in einem Kuhhandel. Die beiden konnten sich noch nie ausstehen. Berlusconi hält Salvini für einen unverbesserlichen Souveränisten und hetzenden Populisten, einen männlichen Verschnitt von Marine Le Pen, während er sich selbst für einen liberalen, gemäßigten Europäer erachtet. Nun aber jagt Salvini Berlusconi Parlamentarier ab: Diese Woche allein haben drei Abgeordnete von der Forza Italia zur Lega gewechselt, unter anderem auch Laura Ravetto, bislang eine treue Weggefährtin Berlusconis: oft im Fernsehen, immer laut. Gut möglich, dass ihn noch weitere Politiker verlassen werden.

Er kann es verkraften. Berlusconis Gunst mag in den Umfragen zuletzt stark geschrumpft sein, doch im Parlament sitzen seit den Wahlen 2018 fast 90 seiner Leute. Wenn er nur ein paar Dutzend von ihnen überzeugen kann, die Regierung "von außen", also ohne das Mittun eigener Minister, in der Krise zu unterstützen, ist dieser ein Fortleben bis zum Ende der Legislaturperiode 2023 gewiss. Und da in etwas mehr als einem Jahr auch die wichtige Neuwahl des Staatspräsidenten ansteht, wäre diese neue Gemengelage im Parlament von zentraler Bedeutung für die Zukunft des Landes.

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