Designierte US-Finanzministerin Janet Yellen:Uneingeschränkt respektiert in der Finanzwelt

Designierte US-Finanzministerin Janet Yellen: Mit guten Noten in den Ruhestand - jetzt Comeback in einem Schlüsselministerium: Janet Yellen soll unter Biden US-Finanzministerin werden.

Mit guten Noten in den Ruhestand - jetzt Comeback in einem Schlüsselministerium: Janet Yellen soll unter Biden US-Finanzministerin werden.

(Foto: AFP)

US-Medien nennen sie die "kleine Lady mit dem großen IQ": Jetzt soll Janet Yellen dem designierten US-Präsidenten Biden helfen, Amerika aus der Abwärtsspirale zu retten.

Von Claus Hulverscheidt

Wenn eine politische Karriere zu Ende geht, dann werden oft Festreden geschwungen, bei denen sich die Balken wahrlich biegen: Aus kleinen Erfolgen des künftigen Pensionärs werden Meilensteine, aus Fehlleistungen und Skandalen Nebensächlichkeiten und Randnotizen. Als Janet Yellen Anfang 2018 ihr Amt als Chefin der US-Notenbank abgeben musste, weil Präsident Donald Trump der Fed eine "eigene Handschrift" verpassen wollte, war alles anders. Niemand hatte es nötig, sich verbal zu verrenken oder die Bilanz zu schönen, das Urteil der Kritiker fiel im Gegenteil einvernehmlich aus: In einer Umfrage des Wall Street Journal unter führenden Volkswirten vergaben 60 Prozent der Teilnehmer die Schulnote Eins, 30 Prozent entschieden sich für eine Zwei, acht für eine Drei.

Dass es Trumps Nachfolger Joe Biden nach übereinstimmenden US-Medienberichten nun gelungen ist, die mittlerweile 74-jährige Ökonomin aus dem Ruhestand zurückzuholen und sie dazu zu überreden, die erste Finanzministerin ihres Landes zu werden, darf deshalb als echter Coup gewertet werden. Das gilt umso mehr, als der künftige Präsident mit seiner Entscheidung auch strategisches Geschick beweist: Anders als etwa ihre Mitbewerberin Elizabeth Warren, die linkslastige Senatorin aus Massachusetts, genießt Yellen in den USA partei- und flügelübergreifend Anerkennung. Und anders als Lael Brainard, die zwar dem Fed-Vorstand angehört, den Sprung an die Spitze der Notenbank aber bisher nicht schaffte, wird Bidens Kandidatin vom ersten Tag im Amt an die uneingeschränkte Respektperson unter den Finanzministern der weltweit führenden Wirtschaftsnationen sein.

Dabei steht Yellen - sollte sie denn vom Senat bestätigt werden - eine Aufgabe bevor, die schwieriger kaum sein könnte: Weil Trump die Gefahren der Corona-Pandemie bis heute ignoriert und kein Konzept zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen gefunden hat, sind die USA in den vergangenen Wochen immer stärker in eine erneute Abwärtsspirale aus Firmenpleiten, Arbeitslosigkeit, Privatinsolvenzen und Räumungsklagen geraten. Hinzu kommt der massive Anstieg der Staatsverschuldung, der durch Corona befördert wurde, vor allem aber Trumps teurer Steuerreform aus dem Jahr 2018 geschuldet ist. Das Land auf einen soliden finanzpolitischen Pfad zurückzuführen, dürfte ähnlich schwierig werden wie der Ausstieg der Fed aus der ultra-lockeren Geldpolitik der Jahre 2008 bis 2015, den Yellen als Notenbankpräsidentin moderieren musste.

Auch für junge, eher linke Demokraten eine gute Wahl

Allerdings - und auch das dürfte Biden zur Wahl seiner Kandidatin bewogen haben - kann die geborene New Yorkerin auf ihre Erfahrungen zurückgreifen, die sie seinerzeit gewonnen hat. Eine davon lautet: In einer veritablen Wirtschaftskrise darf der Staat seine finanzielle Unterstützung nicht vorschnell zurückfahren, will er nicht Gefahr laufen, auf Jahre hinaus mit äußerst schwachen Wachstumsraten leben zu müssen. Genau das nämlich passierte nach den Bankenzusammenbrüchen der Jahre 2008 und 2009, als der republikanisch dominierte Kongress dem demokratischen Präsidenten Barack Obama die Unterstützung verweigerte.

Dass Yellen, die ihren Mann, den heutigen Wirtschaftsnobelpreisträger George Akerlof, einst in der Cafeteria der Fed kennenlernte, auch für junge, eher linke Demokraten eine gute Wahl sein könnte, hängt allerdings weniger mit ihren Erfahrungen aus der Obama-Zeit als mit jüngeren Aussagen zusammen: Immer wieder sprach sie sich in den vergangenen Jahren dafür aus, die Zahl der Frauen und Minderheitenvertreter in führenden Wirtschafts- und Wissenschaftspositionen deutlich zu erhöhen, "um den Blick auf bekannte Probleme durch neue und innovative Perspektiven" zu verändern. Auch die wachsende soziale Ungleichheit in den USA kritisierte sie wiederholt.

Dass manche Kritiker der ehemaligen Harvard-Dozentin vorwerfen, für eine Politikerin zu dröge zu sein, dürfte Yellen ziemlich wurscht sein. Das gilt umso mehr, als es eine zweite mediale Zuschreibung gibt, mit der die - laut Wirtschaftsmagazin Forbes - einst zweitmächtigste Frau der Welt sehr gut leben kann: die "kleine Lady mit dem großen IQ".

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