Fruchtbare Tage:Bei Kinderwunsch pusten

Bastian Rüther und Marketingchefin Lisa Krapinger

Lisa Krapinger kümmert sich um das Marketing und ihr Partner Bastian Rüther um die Geschäftsführung von Carbomed.

(Foto: Carbomed)

Das Start-up Carbomed hat ein Gerät entwickelt, das über den Atem die Fruchtbarkeit erkennt.

Von Marcel Grzanna

Follikel Phase, Ovulation, Luteal Phase, Menstruation - vier Begriffe, ein Zyklus. Es ist wohl wenig gewagt zu behaupten, dass drei dieser vier Begriffe den meisten Menschen eben kein Begriff sind, mit dem sie auf Anhieb etwas anfangen können. Nur die Menstruation zählt zum gängigen Allgemeinvokabular. Dabei bilden diese vier Phasen die Basis unseres Fortbestandes. Sie beschreiben den weiblichen Zyklus, der darüber bestimmt, wann eine Frau fruchtbar ist, um schwanger zu werden.

Das österreichische Start-up Carbomed hat sich diesem Zyklus gewidmet und eine Geschäftsidee daraus entwickelt, die einige Medienwirksamkeit erzeugt hat. Bei der deutschen TV-Show "Das Ding des Jahres" stellte das Unternehmen seine Idee einem Millionenpublikum vor. Bereits Ende 2018 hatte Carbomed über das österreichische Investment-TV-Format "2 Minuten 2 Millionen" einen siebenstelligen Betrag einsammeln können. Und erst kürzlich stieg der Investmentfonds aws ein. Gemeinsam mit einigen Bestandsinvestoren sagten die Geldgeber weitere drei Millionen Euro zu.

Carbomed hat ein Gerät entwickelt, das vornehmlich über den pCO2-Gehalt im Atem einer Frau deren fruchtbare Tage identifiziert. Dieser zeigt die Menge des gelösten Kohlendioxids im arteriellen Blut an. Breathe ilo heißt das Gerät, wobei ilo als Abkürzung für I Love steht. Das neue daran: Um die Fruchtbarkeit zu ermitteln, müssen die Nutzerinnen eine Minute lang über ein Mundstück in das Gerät hinein atmen. Ein sinkender pCO2-Gehalt geht einher mit einem steigenden E2-Estradiol-Wert, dem ersten Indiz für den Beginn der fruchtbaren Tage.

Bereits bewährte Methoden messen Veränderungen im weiblichen Körper dagegen über die Körpertemperatur oder den Urin. Über den Harn lässt sich die Fruchtbarkeit aber erst 24 bis 48 Stunden vor dem Eisprung feststellen, über die Temperatur sogar erst unmittelbar danach. Die Urintests sind typischerweise LH-Urintests, die auf das luteinisierende Hormon (LH) reagieren, das zwar vor dem Eisprung, aber nach dem Estradiol ansteigt. Die Temperaturmessung registriert den Progesteron-Anstieg ab dem Eisprung, was nur Prognosen ermöglicht, wann der nächste Eisprung einsetzt. Den Beginn der höchst fruchtbaren Phase verpassen beide Varianten. "Mit unserer Methode haben wir die Sicherheit des Tests entscheidend erhöht", sagt Carbomed-Geschäftsführer Bastian Rüther. Die Daten werden ausgewertet und der Nutzerin über eine App auf dem Smartphone angezeigt.

Als Verhütungsmittel ist der Atemtracker noch nicht zugelassen

Rüther nahm unter anderem die nervenzehrenden Erfahrungen seiner Eltern zum Anlass, die fünf Jahre versucht hatten, Nachwuchs zu zeugen, ehe es mit der Schwangerschaft klappte. Sein Vater Horst Rüther ist Medizintechniker und entwickelte Breathe ilo zusammen mit dem Gynäkologen Ludwig Wildt. Sohn Bastian kümmert sich ums Geschäftliche. Auch dessen Partnerin Lisa Krapinger gehört als Marketingleiterin zum Team. Sie war die Erste, die das Gerät ausprobierte und seitdem nutzt. Kinder wollen die beiden Endzwanziger noch nicht, weswegen sie Breathe ilo eher als Verhütungsmittel einsetzen.

Als solches ist der Atemtracker allerdings noch nicht zugelassen und darf demnach noch nicht entsprechend beworben und verkauft werden, bislang nur als Hilfestellung beim Kinderwunsch. Die Krux dabei ist, dass sich auch mit Breathe ilo die Variabilität des Hormonausstoßes nicht auf die Stunde genau der Moment der Fruchtbarkeit nachweisen lässt. Das kann nur ein Bluttest, der aber für die breite Masse der Nutzerinnen kaum praktikabel ist. Mögliche Tag-zu-Tag-Veränderungen sollen über den Algorithmus durch Breathe ilo herausgelesen und die Daten später anonymisiert mit den Mustern anderer Frauen verglichen werden. "Wenn erkannt wird, dass eine Messwertabweichung aufgrund von untypischen Atemmustern entstehen, wird dies erkannt und die Messung muss wiederholt werden", sagt Rüther.

In fünf Studien erzielten die Entwickler gute Resultate, wie sie sagen, die eine höhere Sicherheit gegenüber den Mitbewerbern versprechen. Unter anderem unterzogen sie die Technik Anwendungsbeobachtungen durch die Uniklinik Innsbruck und das Kinderwunschzentrum Potsdam. Ausschlusskriterien, wann die Methode nicht funktioniert, beispielsweise wenn eine Frau an Asthma erkrankt ist, wurden bislang nicht erkannt.

In den meisten Fällen wurden mindestens fünf von sechs fruchtbaren Tagen identifiziert. In wenigen Fällen sank die Genauigkeit auf drei oder vier Tage. Die klinische Studie, deren Resultat für die Zulassung entscheidend ist, steht derweil noch aus. Im Laufe des kommenden Jahres soll sie abgeschlossen sein. "Die Präzision soll dabei den Eisprung auf plus/minus einen Tag genau identifizieren", so Rüther. Allerdings gilt für die Nutzung von breathe ilo als Verhütungsmittel ein anderer Algorithmus, der ein Sperrfenster von acht bis neun Tagen vorgibt, um eine Schwangerschaft sicher ausschließen zu können.

75 Prozent der Geräte exportiert das Unternehmen aus Österreich, wo es produziert, bislang nach Deutschland. "Wir sind seit Januar in Deutschland auf dem Markt und haben ein signifikantes Wachstum verzeichnet", sagt Marketingchefin Krapinger. Mehrere Tausend Geräte seien verkauft worden. Kostenpunkt: rund 250 Euro. Das frische Geld durch die Investoren fließt in die Weiterentwicklung der Technik und seine Internationalisierung. Nächster Schritt soll zunächst einmal Großbritannien sein, was wegen des Brexit noch nicht ganz sicher feststeht. Global sieht Rüther die Anzahl der potenziellen Nutzerinnen, die ohne hormonelle Eingriffe verhüten wollen, im Gleichgewicht mit jenen, die ein Kind planen. Den potenziellen Markt beziffert er auf jeweils rund zwei Milliarden Euro.

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