Skigebiete in Bayern:Seilbahnbetreiber fürchten "Wintersportverbot" über die Weihnachtsferien

Skigebiete in Bayern: Rein theoretisch wären die Pisten bereit, befahren zu werden.

Rein theoretisch wären die Pisten bereit, befahren zu werden.

(Foto: Bayerische Zugspitzbahn)

Pisten und Seilbahnen sind vorbereitet: Doch die Betreiber befürchten, Einbußen nicht mehr wettmachen zu können, und schauen neidvoll nach Österreich.

Von Matthias Köpf, Garmisch-Partenkirchen

Die Bayerischen Zugspitzbahnen wären präpariert. Schon seit Tagen waren droben auf dem Zugspitzplatt die Pistenbullys unterwegs. An Schnee, den sie hin- und herschieben können, herrscht auf Deutschlands höchstem Berg schon länger kein Mangel, und die Sonne strahlt gerade jeden Tag wieder auf inzwischen fast perfekte Skipisten herab.

Nur Ski wird dort bis auf Weiteres niemand fahren. Denn ihren ursprünglich für Mitte November geplanten Saisonstart hatten die Zugspitzbahnen wegen der Corona-Pandemie ohnehin schon verschieben müssen. Seither bringt die Seilbahn nur einmal in aller Frühe die Pistenbully-Fahrer und anderes Personal hinauf und am Nachmittag wieder herunter. Die Zahnradbahn pendelt nur unten im Tal als öffentliches Nahverkehrsmittel zwischen dem nagelneuen Zugspitzbahnhof und dem Eibsee hin und her. Vor dem 20. Dezember wird weder sie noch die Seilbahn Skifahrer nach droben bringen, so viel ist seit dem Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten am Mittwoch klar. Und was die Zeit danach betrifft, die wirtschaftlich äußerst wichtig für sie wäre, so hängen Bayerns Seilbahnbetreiber bestenfalls weiter in der Luft.

Skigebiete in Bayern: Laut Matthias Stauch ist auf der Zugspitze alles bereit.

Laut Matthias Stauch ist auf der Zugspitze alles bereit.

(Foto: Bayrische Zugspitzbahn Bergbahn AG)

Gerade seien "alle etwas ratlos", sagt Zugspitzbahnen-Geschäftsführer Matthias Stauch, der auch Vorsitzender des Verbands Deutscher Seilbahnen (VDS) ist. Dass da jetzt sogar über die Weihnachtsferien "ein Wintersportverbot" im Raum stehe, sei für den Großteil der Bahnbetreiber existenzbedrohend, betreffe Hunderte Beschäftigte und koste allein die Seilbahnen Millionen an Umsatz - und darüber hinaus noch einmal annähernd die fünffache Summe bei Hotels, Gasthäusern, Skilehrern, Verleihern und Sportgeschäften. Er könne sich nicht vorstellen, wie all das aufgefangen werden solle, sagt Stauch. Schon bei den bisher zugesagten Staatshilfen sei immer noch nicht klar, wann wer wie viel bekommen werde. Dabei habe man doch gut gearbeitet im Sommer, keine Corona-Hotspots produziert und "viel, viel Geld in Hygienekonzepte investiert".

Weil im Corona-Sommer viele Menschen lieber daheim in Deutschland geblieben sind und dort Ausflüge unternommen haben, konnten die Seilbahnen sogar ein bisschen was von dem Minus wieder hereinfahren, das ihnen das abrupte Ende der vergangenen Wintersaison durch den ersten Lockdown im März beschert hat.

So hatten die Seilbahnen im vergangenen Winter 27 Prozent weniger Einnahmen als in der vorangegangenen Wintersaison, bilanziert Stauchs Vorstandskollegin im Seilbahnverband, Christine Kury. Bei den "Skier Days" - diese Erstzutritte von Fahrgästen pro Tag gelten als härteste statistische Währung der Branche - gab es demnach ein Minus von 22 Prozent. Die 16,5 Prozent mehr Sommerumsatz können diese Einbußen laut Kury aber nicht ausgleichen. Sollten die Bahnen nun auch im Winter länger geschlossen bleiben, befürchtet Kury ein ähnliches Szenario, wie es im Sommer schon in vielen besonders frequentierten Ausflugsorten zu beobachten war. Denn es gebe nun einmal "ein großes Bedürfnis nach Naherholung gerade im Einzugsbereich von Ballungsgebieten". Die Folge: lange Staus, überfüllte Parkplätze, überquellende Mülleimer und genervte Einheimische, die von Tagesgästen am liebsten nichts mehr wissen wollen. Ab einer gewissen kritischen Masse komme die Infrastruktur an ihre Grenzen, sagt Christine Kury über den Tagestourismus, der eben ganz "eigene Herausforderungen" mit sich bringe.

Denn "die Leute kommen ja trotzdem", betont auch Verbandsvize Peter Lorenz, der die Geschäfte der Bergbahnen auf das Brauneck bei Lenggries, auf den Wallberg am Tegernsee sowie rund um den Spitzingsee führt. Ohne die kanalisierende Wirkung der Bergbahnen werden sich eben noch mehr Menschen auf eigene Faust in die Berge aufmachen, lautet die Schlussfolgerung der Bahnbetreiber. So gewendet bekommt die als Beruhigung gedachte Aussage von Ministerpräsident Markus Söder nach der Kabinettssitzung am Donnerstag fast den Charakter einer Drohung. Die Naturbegegnung werde immer möglich sein, Skiwandern und Skilanglauf werde es weiterhin geben, hat Söder da gesagt. Womöglich können sich da und dort die Birkhühner sowie die zuständigen Ranger und Gebietsbetreuer schon auf ein Massenaufkommen von Tourengehern und Schneeschuhwanderern gefasst machen.

Doch so ganz haben auch die Seilbahnbetreiber die Hoffnung auf die Wintersaison noch nicht aufgegeben. In vielen Skigebieten werde man wohl mit der künstlichen Beschneiung beginnen, sobald an mehreren Tagen in Folge stabile Minustemperaturen zu erwarten sind, sagt Peter Lorenz. Diesen Schnee werde man dann wohl für einen eventuellen späteren Saisonbeginn "auf Depot" legen. "Wir gehen das Risiko ein."

Zugleich blicken die deutschen Seilbahnbetreiber ein wenig neidvoll hinüber nach Österreich, wo Kanzler Sebastian Kurz von einer europa- oder zumindest EU-weit koordinierten Absage der Wintersportsaison nichts wissen will, um die dortige Tourismusindustrie zu schützen. Unter dem Ischgl-Image der Tiroler Skigebiete als Corona-Hochburgen leiden auch die bayerischen Bahnen - nach Ansicht von Matthias Stauch völlig zu Unrecht, denn "wir wollen hier bei uns kein Halligalli", und beim reinen Skifahren habe sich ja auch dort in Ischgl niemand angesteckt.

Sollten allerdings andersherum die österreichischen Skigebiete zusperren müssen und die bayerischen nicht, dann wäre das nach Ansicht von Peter Lorenz "auch fatal", denn so viele Skifahrer, wie dann zu erwarten wären, passen in Bayern schwerlich auf die Pisten. Dann bliebe nur, ein ganzes Gebiet abzuriegeln, sobald die Parkplätze voll sind, sagt Lorenz.

Doch mit vollen Parkplätzen an ihren Talstationen können die Bahnbetreiber bis auf Weiteres nicht rechnen. Eine Klage gegen einen staatlich verfügten Ausfall der gesamten Wintersaison schließt Verbandschef Stauch ausdrücklich nicht aus. "Wir halten uns alle Optionen offen."

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