Schienenprojekt:Nachverdichtung auf den Gleisen

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Die Haarer FDP sieht nach einer parlamentarischen Anfrage Befürchtungen zum Lärmschutz am Brenner-Nordzulauf bestätigt

Von Bernhard Lohr, Haar

Auch wenn künftig deutlich mehr Güterzüge durch dicht bewohntes Gebiet rollen: Die Aufrüstung der Bahntrasse zwischen Trudering und Grafing Bahnhof für den erwarteten Güterverkehr zum Brenner-Basistunnel fällt für die Deutsche Bahn finanziell kaum ins Gewicht. Gleise werden nicht verlegt. Und für Gleisarbeiten sind laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Oliver Luksic bisher auch null Euro für diesen Abschnitt vorgesehen. Eine digitale Steuerung durch das "European Train Control System" (ETCS) soll auf der Strecke eine dichtere Abfolge von Zügen möglich machen. Ziel sei eine optimierte Trassennutzung, heißt es von der Bahn. 6,9 Millionen Euro stehen in Aussicht, um den Lärmschutz anzupassen - viel zu wenig, findet der Haarer FDP-Chef und Gemeinderat Peter Siemsen.

Siemsen hat sich mit dem Abgeordneten Luksic in eines der größten Bahn-Infrastrukturprojekte Europas verbissen und versucht herauszufinden, was es für die Menschen im Münchner Osten bedeutet, wenn nach aktuellem Stand von 2028 an der Brennerbasistunnel offen ist und deutlich mehr Güterzüge verkehren. Nach einer ersten Anfrage an die Bundesregierung hat nun das Büro Luksic mit einer weiteren nachgelegt und 28 Punkte abgeklopft. Insbesondere geht es darum, wie der Güterverkehr mit dem S-Bahn-Verkehr zwischen Trudering und Haar vereinbart werden soll. Denn obwohl es dort nicht mehr Gleise geben wird, sollen dort außer zusätzlichen Güterzügen auch deutlich mehr S-Bahnzüge fahren, wenn die zweite Stammstrecke fertig ist.

Wie belastet das S-Bahn-Netz im Münchner Raum jetzt schon ist, zeigt die Verspätungsstatistik, die in der Antwort auf die FDP-Anfrage enthalten ist. 913 Störfälle gab es bis dato im laufenden Jahr alleine, weil technische Probleme auf der Strecke auftraten; also weil Signale oder Weichen nicht funktionierten oder Bauarbeiten liefen. 1167 Störfälle waren es 2019. Als Störfall gilt, wenn drei Züge mindestens betroffen sind oder die Summe der Verspätung elf Minuten überschreitet oder ein Teilausfall eines Zugs vorliegt. Den deutschen Brenner-Nordzulauf über das "marode Münchner S-Bahnnetz" zu leiten, sei keine gute Lösung, kritisiert Luksic. Es drohe ein Verkehrskollaps. "Wenn der transeuropäische Schienenverkehr nicht im Raum München stecken bleiben soll, müssen Umfahrung und ETCS-Ausbau dieses Verkehrsknotens dringend beschleunigt werden." Für die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene brauche das wichtigste europäische Bahnprojekt auf deutscher Seite mehr Ernsthaftigkeit und Tempo und weniger fadenscheinige Kompromisse.

Eine Beschleunigung des Projekts ist momentan nicht in Sicht. Der ETCS-Einbau wird laut Bundesregierung zwischen Trudering und Kiefersfelden bis 2030 abgeschlossen sein. Der Zeitplan werde eingehalten; und der sieht eine Fertigstellung des Nordzulaufs samt Neubaustrecke von Grafing bis zur österreichischen Grenze erst 2040 vor. Wie viele Güterzüge wann durch Haar und Trudering verkehren werden, ist derzeit so unklar wie die Frage, ob und wie das mit den S-Bahnen vereinbar ist. Die Untersuchungen liefen, heißt es in der Antwort der Regierung. "Die Analysen erfolgen ergebnisoffen." Die Prämisse sei, den S-Bahnverkehr nicht zu beeinträchtigen und auch dessen künftige Entwicklung durch die nördliche Brenner-Zulaufstrecke nicht zu beschränken. Bei Lokalpolitikern im Raum München leuchten bei solchen Sätzen die Alarmlampen.

Die Fachplanungen für den Abschnitt zwischen Trudering und Grafing sollen der Deutschen Bahn zufolge jedenfalls erst im ersten Quartal 2021 beginnen. Von diesen werde dann abhängen, inwieweit "zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen" wegen der Blockverdichtung ergriffen würden, heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Die bestehenden Lärmschutzwände in Haar hat zum Großteil die Gemeinde selbst finanziert. Ein Ausbau soll kommendes Jahr in Gronsdorf auf der Südseite der Trasse auf einer Länge von 700 Metern erfolgen, wo eine drei Meter hohe Wand geplant ist. Schienenstegdämpfer sollen im Haarer Bahnhof eingebaut werden. Dies ist Teil eines Programms zur "freiwilligen Lärmsanierung", wie es heißt. Sollte es bei den 6,9 Millionen Euro für Lärmschutz bleiben, beklagt FDP-Gemeinderat Siemsen, könnten "neue Schallschutzwände nur punktuell umgesetzt werden". Aus seiner Sicht wäre dies "ein Schlag ins Gesicht vieler Anwohner".

© SZ vom 27.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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