Elektromobilität:Im Sprint unschlagbar

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Wenn kurzzeitig viel Leistung gefordert ist, zum Beispiel beim Anfahren von Elektroautos, könnten Ultrakondensatoren einspringen. (Foto: dpa)

Ultrakondensatoren können extrem schnell extrem viel Leistung bereitstellen. Elektromobilität könnte die neue Speichertechnik deutlich voranbringen.

Von Ralph Diermann

Ein sanfter Druck auf das Pedal genügt, um mit einem Elektroauto an der Ampel für Furore zu sorgen - die Motoren bringen aus dem Stand so viel Leistung auf die Straße, dass der Stromer mit Karacho aus den Startblöcken kommt. Das Fahrvergnügen hat allerdings seinen Preis: Wer oft kräftig beschleunigt, tut seiner Batterie keinen Gefallen. Die Lithium-Ionen-Akkus der Autos lieben es nämlich, geruhsam und gleichmäßig entladen zu werden. Bei der Beschleunigung entsteht Hitzestress, der die Akkus schneller altern lässt. Die hohen Temperaturen fördern die Oxidation der Elektroden, des Herzstücks der Batterien. Auf Dauer mindert das ihre Leistung und auch die Zahl der möglichen Ladezyklen.

Eine andere, wenig bekannte Speichertechnologie ist da viel robuster: Sogenannte Ultrakondensatoren können innerhalb kürzester Zeit viel mehr Leistung liefern als Lithium-Ionen-Akkus, ohne dass ihre Lebensdauer leidet. "Ultrakondensatoren werden dort eingesetzt, wo Batterien zu wenig Leistung bringen oder diese nicht schnell genug aufnehmen und abgeben können", sagt Sebastian Pohlmann, Technikchef des Herstellers Skeleton.

So sorgen sie in Windrädern dafür, dass die schweren Rotorblätter bei kräftigen Böen innerhalb von Sekundenbruchteilen aus dem Wind gedreht werden, um Schäden an der Anlage zu vermeiden. Sie stabilisieren Stromnetze, indem sie sehr kurzfristig Frequenzschwankungen ausgleichen. Und auch einige Straßenbahnen sind mit den Hochleistungsspeichern ausgestattet. Sie haben dort die Aufgabe, beim Bremsen Energie aufzunehmen und sie beim Anfahren wieder abzugeben. Mit diesem kurzen, kräftigen Stromschwall kommen Ultrakondensatoren viel besser zurecht als Batterien.

In vielen Windkraftanlagen werden Ultrakondensatoren eingesetzt. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Ein Vielfaches der Leistung von Lithium-Ionen-Batterien, weitaus mehr Ladezyklen und dazu deutlich kürzere Ladezeiten - das ist möglich, weil in den Ultrakondensatoren lediglich Ladungen an der Oberfläche der Elektroden getrennt oder zusammengeführt werden, wenn sie ge- oder entladen werden. Akkus dagegen werden per elektrochemischem Prozess geladen, der viel mehr Zeit in Anspruch nimmt und die Batteriezellen stärker beansprucht. Punkten können Ultrakondensatoren aber auch noch in anderer Hinsicht, meint Pohlmann. "Sie kommen ganz ohne problematische Materialien wie Kobalt oder Lithium aus. Und sie sind weitaus sicherer als Lithium-Ionen-Batterien. Man kann einen Nagel hineinschlagen, ohne dass es zu einem Brand oder zu einer Explosion kommt", erklärt er.

Dafür haben die Hochleistungsspeicher allerdings einen gravierenden Nachteil: "Da Ultrakondensatoren die Energie nur an der Oberfläche der Elektroden speichern, ist ihre Kapazität sehr schnell erschöpft", erklärt Qamar Abbas, Senior Scientist am Institut für Chemische Technologie von Materialien der TU Graz. In der Regel können sie ihre Leistung nur wenige Sekunden lang halten. Ihre Energiedichte, ein Ausdruck für die Kapazität, beträgt derzeit nur etwa ein Zwanzigstel bis Dreißigstel gleich schwerer Lithium-Ionen-Batterien. Im Sprint sind sie also unschlagbar, für längere Strecken reicht die Kraft jedoch nicht.

Der Autobauer Tesla hat einen Hersteller der Speichertechnik übernommen

Elektroautos würden also nicht weit kommen mit Ultrakondensatoren, die Speicher wären sehr bald geleert. Manche Hersteller sehen für sie aber dennoch einen Platz unter der Motorhaube - als Ergänzung zu den Lithium-Ionen-Batterien. Die Ultrakondensatoren sollen immer dann einspringen, wenn kurzzeitig viel Leistung gefordert ist, etwa beim Anfahren, und so die Akkus entlasten. Das würde ihre Lebenszeit verlängern.

Vor allem aber könnten die Lithium-Ionen-Batterien kleiner ausfallen, wenn sie nicht mehr selbst die Beschleunigung übernehmen müssen. Größer noch wären die Vorteile wohl aber bei Bussen und Lkws mit Elektroantrieb, da beim Anfahren viel mehr Batterieleistung nötig ist. Zudem wird hier beim Tritt auf das Bremspedal eine Menge Energie freigesetzt, die sich mit Ultrakondensatoren gut verwerten lässt.

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Petr Novák, Leiter des Bereichs "Elektrochemische Energiespeicher" des Paul-Scherrer-Instituts im schweizerischen Villigen, hält die Kombination von Akkus und Ultrakondensatoren grundsätzlich für eine interessante Idee. "Kurz- und mittelfristig ist die Koppelung der beiden Technologien durchaus sinnvoll", sagt der Wissenschaftler. Er geht davon aus, dass in den nächsten Jahren etliche Elektrofahrzeuge mit diesem Speicherkonzept auf den Markt kommen werden.

Womöglich auch von Tesla: Der Autobauer hat 2019 den US-amerikanischen Hersteller von Ultrakondensatoren Maxwell übernommen. Auf längere Sicht - Novák nennt einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren - wird man jedoch seiner Einschätzung nach zumindest bei Autos auf solche Hochleistungsspeicher verzichten können. "Mit der Weiterentwicklung der Zelltechnologie können Batterien immer besser mit Lastspitzen umgehen", sagt Novák. Auch neue Konzepte für die Steuerung der Batterien trügen dazu bei, die Oxidation der Elektroden zu verzögern. Zudem würden Batterien mit immer mehr Zellen ausgestattet, um die Reichweite der Elektrofahrzeuge zu erhöhen. "Die Belastung der einzelnen Zellen sinkt damit, was sich ebenfalls positiv auf die Zahl der möglichen Zyklen auswirkt."

Derweil gehen einige Forscher aus Wissenschaft und Industrie aber noch einen Schritt weiter: Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Skeleton auf der einen und die Technische Universität Graz auf der anderen Seite arbeiten unabhängig voneinander an neuartigen Hybridspeichern, die Ultrakondensator und Batterie verschmelzen. Sie sollen ähnliche Leistungen, Ladezeiten und Ladezyklen wie Ultrakondensatoren bieten, dabei aber mehr Energie speichern können. So kombinieren die Grazer Forscher die Elektrode eines klassischen Ultrakondensators mit der einer Batterie.

"Beide Elektroden bestehen aus porösem Kohlenstoff", sagt Abbas. Als Elektrolyt - der Stoff im Innern der Batteriezellen, durch den die Ladungen wandern - dient Salzwasser. "Alle Materialien sind sehr günstig, umweltfreundlich und problemlos zu recyceln", betont der Forscher. Im Labor funktioniere das Konzept bereits gut. Derzeit sind die Wissenschaftler im Gespräch mit Unternehmen, um den Speicher in der Praxis zu erproben, sagt Abbas. Eingesetzt werden könnte er etwa in Straßenbahnen oder anderen schweren Fahrzeugen. Vor allem aber haben die Grazer Forscher Stromnetze als Anwendungsfeld im Visier: Die Speicher sollen die Leitungen entlasten, wenn bei plötzlichem Sonnenschein oder kräftigen Windstößen mit einem Mal sehr viel Ökostrom in die Netze flutet.

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