CDU:Ohne Führung, ohne Kraft

75 Jahre CDU - CDU-Zentrale

Die CDU stolpert führungslos ins Wahljahr.

(Foto: dpa)

Der Streit zwischen Bouffier und Brinkhaus zeigt: In der Partei liegen die Nerven blank - die CDU wirkt überfordert vom langen Wettbewerb um den Vorsitz. Selber schuld.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

So etwas hat es im CDU-Präsidium schon seit Jahren nicht mehr gegeben - die Parteigranden gehen normalerweise ja auch dann gesittet miteinander um, wenn sie sich mal uneins sind. Aber in der Schaltkonferenz am Montag gab es einen veritablen Schlagabtausch. Höhepunkt war eine verbale Attacke von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Er sei nicht länger bereit, "dem Treiben" von Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus zuzusehen, sagte Bouffier - und forderte den Fraktionschef auf, "sich in Zukunft zu mäßigen". Brinkhaus hatte den Ländern vorgeworfen, sich zu wenig an den Kosten der Corona-Hilfen zu beteiligen. Bouffier war nicht der Einzige, den das erzürnt hat. Auch die anderen CDU-Ministerpräsidenten haben deutlich gemacht, was sie von der Brinkhaus-Kritik halten: gar nichts.

Der Vorfall zeigt, wie blank die Nerven in der CDU inzwischen liegen. Aus inhaltlichen Differenzen wird regelmäßig giftiger Streit. Und die scheidende Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat trotz bestem Bemühen nicht mehr die Kraft, das zu verhindern. Es ist erst wenige Wochen her, dass Friedrich Merz dem "Partei-Establishment" wütend vorwarf, es wolle mit Verfahrenstricks seine Wahl zum CDU-Chef verhindern. Derlei Kritik hat das Potenzial, eine Partei zu spalten. Das gilt erst recht für das Verhalten der CDU in Sachsen-Anhalt, der ein höherer Rundfunkbeitrag offenbar mehr schlaflose Nächte bereitet als die AfD. Und niemand in der restlichen CDU scheint die Kraft zu haben, daran etwas zu ändern.

In der Partei sind inzwischen alle am Rande der Überforderung. Merz und seine beiden Konkurrenten um den CDU-Vorsitz, weil sie schon seit zehn Monaten im Wettbewerb stehen. Bouffier und die anderen Ministerpräsidenten, weil sie die Corona-Krise gewaltig herausfordert. Brinkhaus, weil er Angst haben muss, dass Jens Spahn nach seinem Posten greift. Und die Parteizentrale, weil sie eine Wahlkampagne organisieren muss, ohne den Kanzlerkandidaten und damit den Kurs zu kennen.

AKK hat es prophezeit: Der Wettbewerb wird "ruinös"

Die CDU stolpert deshalb ziemlich kraft- und führungslos ins Wahljahr. In den Umfragen steht die Union noch bei gut 35 Prozent, aber wenn die CDU ihren Parteivorsitz nicht schnell klärt, könnte es damit bald vorbei sein. Denn der Wettbewerb um die Spitze ist inzwischen tatsächlich dabei, für die CDU so "ruinös" zu werden, wie es Kramp-Karrenbauer im Sommer vorausgesagt hat.

In diese Lage hat sich die Partei auch durch kollektives Führungsversagen gebracht. Nach der Rücktrittsankündigung Kramp-Karrenbauers im Februar sollte auf einem Parteitag im April über die Nachfolge entschieden werden. Der musste wegen der Pandemie abgesagt werden. Doch dann trafen alle im Vorstand verhängnisvolle Fehlentscheidungen: Im Sommer wollte man wegen der Ferien nicht wählen, im September fand man es wegen der NRW-Kommunalwahlen ebenfalls unpassend. Und auf einen Parteitag Anfang Oktober - auch da hätten es die Corona-Zahlen noch zugelassen - verzichtete der Vorstand, weil man für Anfang Dezember ohnehin einen regulären Parteitag geplant hatte und dachte, auf die paar Wochen käme es auch nicht mehr an.

Das Ende der Geschichte ist bekannt: Auch dieser Dezember-Parteitag musste abgesagt werden. Damit hat ausgerechnet die Partei der Kanzlerin, die immer eindringlich vor einer zweiten Welle gewarnt hat, diese zweite Welle unterschätzt - und sich selbst in eine gefährliche Lage gebracht.

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