Polen:Machtkampf mit allen Mitteln

Polen: Jarosław Kaczyński, seit 2015 Übervater der polnischen Politik.

Jarosław Kaczyński, seit 2015 Übervater der polnischen Politik.

(Foto: Czarek Sokolowski/AP)

PiS-Chef Kaczyński und Justizminister Ziobro demontieren den Rechtsstaat und radikalisieren das Land. Warum? Die Antwort ist ebenso schlicht wie deprimierend: Keiner von beiden ist ein Demokrat.

Kommentar von Florian Hassel, Warschau

Unabhängig davon, ob Europas Regierungen unter Führung der deutschen Ratspräsidentschaft die Verbindung von EU-Geld und Rechtsstaatlichkeit angesichts des Vetos aus Warschau und Budapest aufweichen oder nicht: Die Polen werden dadurch nichts gewinnen. Das Land erlebt eine Radikalisierung durch die Regierenden, die sich unabhängig von der EU in den letzten Monaten zugespitzt hat - und weiter verschärfen wird. Ein Grund dafür ist der stets heftiger werdende Kampf um die Macht und die Nachfolge von Jarosław Kaczyński, seit 2015 Übervater der polnischen Politik.

Kaczyńskis bisheriger Kronprinz, Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, hat in der führenden Regierungspartei PiS keine Hausmacht und wird von Zbigniew Ziobro bekämpft - dem Justizminister, der auch Generalstaatsanwalt ist und die Demontage des Rechtsstaats in Polen maßgeblich vorangetrieben hat. Ziobro versucht, sich als Chef eines radikalen, rechtsnational-katholischen Lagers zu profilieren, das nicht nur Morawiecki ausschalten, sondern womöglich auch Kaczyński und dessen Partei ersetzen soll.

Unabhängig von der Machtfrage sind sich Ziobro und Kaczyński freilich in vielem einig: beim Beseitigen des Rechtsstaates, dem Wettern gegen Schwule und Lesben, gegen angebliche Diktate aus Berlin und Brüssel oder bei der begonnenen Kriminalisierung von Frauen, die ihr demokratisches Recht auf friedlichen Protest gegen das Abtreibungsverbot wahrnehmen. Und schon werden prominente Anwälte mit fingierten kriminellen Vorwürfen und Strafverfahren ebenso unter Druck gesetzt wie die verbliebenen Galionsfiguren einer unabhängigen Richterschaft.

Außerhalb von Polen dürfte niemand Józef Iwulski kennen. Tatsächlich ist er einer der bekanntesten Richter Polens, steht für eine unabhängige Justiz und galt gar als möglicher neuer Präsident des Obersten Gerichts. Dann wurde im Mai in einem manipulierten, rechtswidrigen Verfahren eine PiS-nahe Richterin als neue Gerichtschefin durchgesetzt. Gegen Iwulski, der erst kürzlich wieder in einem aufsehenerregenden Verfahren gegen die Regierung urteilte, wird nun wegen angeblich verbrecherischer Urteile im kommunistischen Polen von 1981 ermittelt.

Starke Tradition des autoritären Regierens

Warum tun Kaczyński oder Ziobro derlei? Die Antwort ist letztlich einfach: Keiner von ihnen ist ein Demokrat. Kaczyński etwa plädierte schon vor mehr als einem Jahrzehnt dafür, Polen ungestört von lästigen demokratischen Kompromissen zu regieren. Neben starkem Freiheitsdrang, wie ihn etwa die Solidarność unter Lech Wałęsa verkörperte, hat Polen auch eine starke Tradition des autoritären Regierens: Diese verkörpert vor allem Józef Piłsudski, der nach dem Ersten Weltkrieg Polens Unabhängigkeit wiederherstellte, aber schließlich als Diktator regierte - und gleichwohl von vielen Polen, auch Kaczyński, bewundert wird.

Der innere Kampf um die Macht hat in Polen erst begonnen. Zu den Grundzügen dieses Machtkampfs werden eine weitere Radikalisierung, das Pflegen äußerer Feindbilder und zunehmend autoritäres, auch kriminelles Vorgehen gehören. Die Gretchenfrage ist, wie darauf die Polen reagieren. 81 Prozent sehen sich als Teil der EU, mindestens zwei Drittel von ihnen sind gegen ein polnisches Veto. Doch die nächste Wahl ist drei Jahre entfernt. Und das Vorgehen Kaczyńskis und Ziobros belegt, dass sie im Kampf um die Macht auch vor undemokratischen Manövern nicht zurückschrecken.

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