Modehaus schließt:"Die haben hier getanzt"

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Gabriele Herrmann hat die Tradition ihrer Großmutter Anna Perfaller fortgesetzt und Trachten verkauft. Zuletzt lag der Schwerpunkt aber eher auf moderner Damenbekleidung. (Foto: Angelika Bardehle)

42 Jahre lang hat Gabriele Herrmann in Oberhaching Dirndl und Damenbekleidung an Prominente verkauft. Nun gibt sie ihren Laden Mode Perfaller auf - und weil sich in der Corona-Krise kein Nachfolger findet, schließt er für immer

Von Claudia Wessel, Oberhaching

"Schauen Sie, hier," sagt Gabriele Herrmann und zieht das Zettelchen aus einem Oberteil hervor, auf dem die Größe und die Angaben zum Waschen sowie der Hersteller stehen. "Das ist so angenäht, dass man es mit dem Ziehen an diesem Faden ganz einfach und spurlos abtrennen kann." Das seien die Dinge, die sie faszinieren. Modemacher, bei denen die Qualität bis in jedes Detail stimmt. So wie bei dem Label, von dem sie gerade ein Kleidungsstück aus dem Regal geholt hat. Der Inhaber habe es sieben Jahre lang aufgebaut. Leider habe der Lockdown im Frühjahr der Firma den Todesstoß versetzt.

"Seine Frühjahrsware stand Mitte März an der polnische Grenze und kam nicht weiter. Sie konnte nicht fristgerecht geliefert werden, sondern erst Mitte April. Viele Läden lehnten es ab, sie dann noch zu nehmen." Sie habe sie trotzdem noch angenommen, sagt Herrmann, Inhaberin von Perfaller Mode und Tracht in Deisenhofen. "Das hat ihm aber nichts genützt." Übrigens sei auch die Ehe der Inhaber an dieser Krise kaputtgegangen.

Gabriele Herrmann gibt ihr Geschäft jetzt Ende Dezember nach 42 Jahren auf. Der Grund dafür ist nicht die Corona-Krise, obwohl diese auch harte Folgen für das Geschäft hatte. Es war vielmehr längst geplant, die Suche nach einem Nachfolger aber sei in den letzten Monaten vergeblich gewesen. Bevor Herrmann dann die Order für das Frühjahr 2021 rausschickte, beschloss sie, es nicht mehr zu tun, sondern den Laden dicht zu machen. Sie ist jetzt im richtigen Alter für den Ruhestand, findet sie. Und als Anfang November der nächste Lockdown kam, war sie sehr froh, dass sie sich so entschieden hatte. Denn sie möchte kein zweites Mal auf ihren Bestellungen sitzen bleiben so wie im März dieses Jahres geschehen.

"Kurz vor dem Shutdown haben sie mir Ware im Wert von 17 000 Euro geliefert", erinnert sich Herrmann. Doch dann blieb der Laden sechs Wochen lang zu. In dieser Zeit wären die Sachen normalerweise über die Ladentheke gegangen, so ihre Erfahrung. So blieb alles liegen. "Das war brutal." In den sechs Wochen, in denen der Laden geschlossen bleiben musste, "haben wir vor allem mit Herstellern verhandelt, um die Herbstorder zu reduzieren", berichtet Herrmann. Denn man wollte nicht auf noch mehr Kleidung sitzen bleiben.

Dass es im November erneut zu einem Lockdown kam, "damit hätte ich nicht gerechnet", sagt Herrmann. An die erste Krise habe man sich angepasst, das Fünftel Umsatzeinbruch verschmerzt. Aber ein zweites Mal? Zum Glück kommt das nicht mehr auf die Inhaberin zu. Schlimm genug sind all die Geschichten aus der Branche, die ihr zu Ohren kommen und die von finanziellen und anderen Sorgen aufgrund des Lockdowns zeugen.

Gabriele Herrmann selbst kann sich von Januar an einfach entspannt zurück erinnern an ihre Erfolge in den vergangenen 42 Jahren. "Ich bin so glücklich, dass ich solche hochwertigen Waren anbieten konnte und dass ich ein Gegenüber hatte." Ihre Marken sind allesamt obere Preisklasse und von hoher Qualität. Auf zahlreichen Messebesuchen hat Herrmann die schönsten und auffallendesten Stücke zusammengesucht, hat aus Kollektionen, die sie in Düsseldorf, Mailand oder Paris entdeckt hat, eine eigene Kombination zusammengestellt für ihren Laden. Und sie hat damit den Geschmack von vielen Frauen getroffen, die gerne bei ihr einkauften.

Unter ihren Kundinnen waren viele Prominente, Geschäftsfrauen, Partnerinnen von Fußballern. Sie erinnert sich etwa an einen Tag noch zu D-Mark-Zeiten, als die Frau eines bekannten Fußballers mit einer Freundin im Laden war. "Die haben hier getanzt und dann für 23 000 Mark eingekauft." Als Herrmann ihren Laden eröffnete, für die ersten sieben Jahre im Keller des eigenen Hauses in Furth, bot sie noch zu 80 Prozent Dirndl an und zu 20 Prozent modische Kleidung. Doch ihre Begeisterung von den bunten Facetten der Mode sorgte dafür, dass sich das Verhältnis im Laufe der Zeit umkehrte. Alle Stücke waren und sind sehr hochwertig. Ein Dirndl kann schon mal 4000 Euro kosten, eine Kaschmirwendejacke, die Herrmann vorführt, gibt es für 1000 Euro.

Die Liebe zu wertvoller Kleidung war Herrmann schon von der Großmutter in die Wiege gelegt, denn diese, Anna Perfaller, verkaufte vor hundert Jahren im Salzkammergut handgearbeitete Trachten an vornehme Kunden, später wurde sie zum Geheimtipp für die Festspielgesellschaft in Salzburg. "Die schöne Ware, das ist mein Elixier gewesen", sagt auch ihre Enkelin Gabriele Herrmann. Wie sie von Januar an ohne diese auskommen wird, weiß sie selbst noch nicht so genau. Aber sie weiß: Es ist der richtige Moment, um aufzuhören.

© SZ vom 11.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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