Schweiz:Dann eben Après-Ski im Sitzen

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Während anderswo die Skigebiete gesperrt sind, können Touristen in der Schweiz mit nur wenig Einschränkungen Wintersport betreiben. (Foto: Manuel Geisser/Imago)

Die Schweiz will nicht mitmachen beim europäischen Alpen-Lockdown. Die Kantone versuchen trotz hoher Inzidenzzahlen mit sehr milde ausgelegten Regeln, die Skisaison irgendwie zu retten. Kann das gutgehen?

Von Isabel Pfaff, Bern

Die Schweiz dürfte in diesem Winter zum Sehnsuchtsort für Europas Schneeliebhaber werden: Kein Alpenland lässt Ski- und Snowboard-Tourismus derzeit mit so wenig Einschränkungen zu wie die Eidgenossenschaft. Während in Deutschland, Frankreich und Italien mindestens die Lifte und Bahnen geschlossen sind und auch in Österreich Skitourismus nur sehr eingeschränkt erlaubt ist, gibt es in Schweizer Skigebieten lediglich milde Corona-Maßnahmen - und die auch erst seit Kurzem.

So herrscht seit vergangenem Mittwoch Maskenpflicht beim Anstehen, auf Liften, in Gondeln. Geschlossene Bahnen dürfen nur zu zwei Dritteln gefüllt werden. Neu hat die Schweizer Regierung am Freitag beschlossen, dass Restaurants bereits um 19 Uhr schließen müssen - ausgenommen Gastro-Betriebe in Kantonen "mit günstiger epidemiologischer Entwicklung". Schon seit Oktober gelten indes ein paar Regeln, die wilde Après-Ski-Feiern erschweren dürften: eine Personenbeschränkung in Restaurants auf vier pro Tisch und eine Sitzpflicht beim Konsumieren.

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Von Mittwoch an wird das öffentliche Leben weitgehend heruntergefahren. Der Wirtschaftsminister appelliert, vorher nur für das Nötigste einkaufen zu gehen. Das RKI registriert etwa 4000 Neuinfektionen mehr als vor einer Woche.

Aber auch die jüngsten Mitteilungen aus Bern machen klar: Die Schweiz will nicht mitmachen beim europäischen Alpen-Lockdown. Sie hält ihre Regeln und Schutzkonzepte, die derzeit in erster Linie in der Verantwortung der Kantone liegen, für ausreichend.

Und so mancher der 26 Teilstaaten zeigt sich tatsächlich auch erfinderisch, um die Skisaison 2020/2021 trotz Pandemie zu retten. Im Wallis etwa, das schon vergleichsweise früh von der zweiten Corona-Welle erfasst wurde, gelten gerade noch schärfere Einschränkungen als auf Bundesebene. Bereits seit Anfang November sind hier alle öffentlichen Einrichtungen geschlossen. Diese Maßnahmen wurden sogar noch bis Mitte Dezember verlängert - unter anderem, damit die Menschen über die Feiertage Skifahren und auswärts essen können.

Massentests sind logistische Herausforderung

Graubünden setzt neben einem Mini-Lockdown - vom 4. bis 18. Dezember sind in dem Kanton alle Restaurants geschlossen - auch auf einen Massentest. Seit diesem Freitag kann man in den drei Regionen Südbündens bis einschließlich Sonntag kostenlos einen Corona-Schnelltest machen. Ähnlich wie die Massentests in Österreich oder in Südtirol ist auch das Bündner Projekt eine logistische Herausforderung: 23 Stationen stehen in Turnhallen und Konzertsälen bereit, um bis zu 35 000 Menschen zu testen. Neben der Wohnbevölkerung lädt der Kanton auch Grenzgänger aus den Nachbarstaaten und Gäste ein.

Graubünden gehört aktuell zu den Schweizer Kantonen mit der höchsten 14-Tage-Inzidenz, mehr als 700 Fälle kommen derzeit auf 100 000 Einwohner. "Wir machen eine Momentaufnahme und können viele Infektionsketten brechen", sagt Christian Gartmann, Leiter der regionalen Corona-Taskforce, "und damit einen harten Lockdown verhindern." Die Skisaison stellt im Bergkanton Graubünden einen gewaltigen Wirtschaftsfaktor dar. "Hier geht es nicht um fette Gewinne, sondern ums wirtschaftliche Überleben", meint Gartmann.

Er verspricht sich viel von dem Pilotprojekt. In Südtirol habe man so mehr als 60 Prozent der Bevölkerung testen können, sagt er, in Vorarlberg immerhin 30 Prozent. Graubünden habe sich intensiv mit seinen Nachbarregionen ausgetauscht und von deren Erfahrungen profitiert. Mehr als 1000 Helfer sind nun an den Teststraßen in den Südbündner Tälern im Einsatz: neben medizinischem Fachpersonal auch die Feuerwehr und andere Freiwillige. Bisher wird die Möglichkeit gut angenommen, fast 12 000 Personen haben sich laut Gartmann bis Freitagnachmittag zum Schnelltest angemeldet.

Ob die Kantone mit solchen Ideen glimpflich durch die Saison kommen, muss sich zeigen. Dass aber nicht alles so läuft wie von den Regierungen und Touristikern angekündigt, haben seit Wintereinbruch schon ein paar Schweizer Skigebiete gezeigt: In Zermatt drängten sich im November Dutzende Wintersportler Schulter an Schulter vor den Gondeln; aus Verbier, ebenfalls Kanton Wallis, tauchten Anfang Dezember ähnliche Bilder auf. Statt Abstandhalten: Dichtestress.

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