Pharmaindustrie:Astra Zeneca peilt Milliarden-Übernahme an

FILE PHOTO: AstraZeneca's logo is reflected in a drop on a syringe needle in this illustration

Das Logo von Astra Zeneca spiegelt sich in einem Tropfen an einer Spritzennadel.

(Foto: Dado Ruvic/Reuters)

Für 39 Milliarden Dollar will der britische Konzern das auf seltene Erkrankungen spezialisierte US-Biotech Alexion übernehmen.

Astra Zeneca wagt in der Corona-Pandemie eine Übernahme in Milliardenhöhe. Für 39 Milliarden Dollar in bar und in Aktien will der britische Pharmakonzern das US-Biotechunternehmen Alexion übernehmen und damit die Sparten Immunologie und seltene Erkrankungen stärken. Für das Unternehmen Astra Zeneca, das 1999 aus dem Zusammenschluss der schwedischen Astra mit der britischen Zeneca entstand, wäre es die mit Abstand größte Übernahme seiner Geschichte. Den Abschluss des Zukaufs erwartet Astra Zeneca im dritten Quartal nächsten Jahres, teilte der Konzern am Samstag mit.

Die Aktionäre von Alexion sollen 60 Dollar sowie 2,1243 Hinterlegungsscheine von Astra Zeneca je Aktie erhalten. Das entspricht einem Gesamtpreis von rund 175 Dollar je Aktie - ein Aufschlag von knapp 45 Prozent zum Schlusskurs von Alexion am Freitag. Zur Finanzierung der Übernahme plant Astra Zeneca auch eine Kapitalerhöhung, wie Finanzchef Marc Dunoyer sagte. Die Kontrollgremien beider Unternehmen haben der Übernahme bereits zugestimmt. Nach Abschluss der Transaktion sollen die Aktionäre von Alexion rund 15 Prozent an dem neuen Gebilde halten.

Alexion, 1992 in Boston gegründet, hat sich auf Medikamente zur Behandlung seltener Erkrankungen spezialisiert. 2019 setzte das Unternehmen knapp fünf Milliarden Dollar um, zum größten Teil mit dem Medikament Soliris. Es wird zur Behandlung der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH) eingesetzt, eine seltene lebensbedrohliche Erkrankung, die zur Zerstörung roter Blutkörperchen führt. Die US-Firma wurde bereits einige Zeit als Übernahmeziel gehandelt. Der Hedgefonds Elliott des Milliardärs Paul Singer, der 2017 bei Alexion einstieg, drängt das Unternehmen seit Monaten, sich zum Verkauf zu stellen.

Astra Zeneca stand zuletzt vor allem im weltweiten Rennen um einen Covid-19-Impstoff im Fokus. Vorstandschef Pascal Soriot sagte am Samstag, es sei noch nicht klar, ob das Unternehmen Ergebnisse einer Studie in den USA für einen Zulassungsantrag dort benötige. Sollte diese positiv ausfallen, könnte innerhalb der nächsten sechs Wochen ein Zulassungsantrag in den USA gestellt werden. Der Konzern hat bislang erst Ergebnisse der Phase-3-Studien im Vereinigten Königreich und Brasilien veröffentlicht. Danach zeigte der Impfstoff eine durchschnittliche Wirksamkeit von gut 70 Prozent.

Das Mittel, das Astra Zeneca gemeinsam mit der Universität Oxford entwickelt, ist ein Vektor-Impfstoff, bei dem der genetische Code des Sars-CoV-2-Spike-Proteins in das Genom eines Adenovirus von Schimpansen eingefügt wurde. Das britische Duo gehört zwar immer noch zur Führungsgruppe der Impfstoffentwickler aus Industrieländern. Das deutsch-amerikanische Duo Biontech/Pfizer und der US-Konzern Moderna sind allerdings schon weiter. Die US-Arzneimittelbehörde erteilte am Freitagabend dem von Biontech entwickelten Impfstoff eine Notfallzulassung. Die USA sind nach Großbritannien, Bahrain, Kanada und Kuwait das fünfte Land, in dem der Impfstoff zugelassen ist. In der EU ist die Zulassung beantragt.

In den vergangenen Tagen hatte es Kritik an den Daten zum Impfstoff von Astra Zeneca gegeben. Mit der am Wochenende angekündigten Übernahme von Alexion setzt Firmenchef Soriot neue Akzente. Der Aktienkurs hat in den vergangenen drei Jahren kräftig zugelegt, auch dank neuer Krebsmedikamente wie Lynparza, Imfinzi und Tagrisso. 2019 setzte der britische Konzern mit weit mehr als 70 000 Beschäftigten 23,6 Milliarden Dollar um, der Gewinn nach Steuern belief sich auf 1,2 Milliarden Dollar.

2014 konnte Soriot das Übernahmeangebot des US-Konzerns Pfizer, er bot zuletzt rund 117 Milliarden Dollar, abwehren. Es wäre die größte Übernahme der Pharmageschichte gewesen. Pfizer hatte das Angebot nachgebessert, war aber nicht zu mehr bereit. In diesem Sommer bandelte Astra Zeneca nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg mit dem US-Konzern Gilead an. Für ihn, wurde damals spekuliert, hätten die Briten mehr als 100 Milliarden Dollar bieten müssen. Konkreteres gab es nicht dazu.

Der Kauf von Alexion ist noch nicht unter Dach und Fach. Der Preis von rund 175 Dollar je Aktie sei für Astra Zeneca attraktiv, zitiert Bloomberg Geoffrey Porges, einen Experten der auf das Gesundheitswesen spezialisierten Investmentbank SVB Leerink. Möglicherweise schwebten den Aktionären von Alexion eher 200 Dollar je Aktie vor oder eine höhere Barkomponente. Porges glaubt, dass die Diskussionen sich in den nächsten Tagen und Wochen weniger darum drehen werden, ob der Preis zu hoch sei, als darum, ob der Preis, den Astra Zeneca biete, hoch genug sei oder noch andere Interessenten auftauchen.

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