Energie:Abschied von der Bohrinsel

Kundgebung - SWM, raus aus der Erdöl- und Erdgas-Förderung! Trotz des Beschlusses des Münchner Stadtrats bis 2035 in Mü

Umweltaktivisten protestieren vor dem Rathaus mit einem vier Meter hohen Bohrturm gegen die Öl- und Gasförderung der Stadtwerke.

(Foto: Thomas Vonier/Imago)

Als Partner im Gemeinschaftsunternehmen Spirit Energy fördern die Stadtwerke Öl und Gas in Nordeuropa. Klimaschützer protestieren und auch die Rathauskoalition will den baldigen Ausstieg - aber nicht um jeden Preis.

Von Heiner Effern

Umweltschützer blicken gerade weit in den Norden, wenn sie Münchner Versäumnisse im Kampf gegen den Klimawandel anprangern, bis hinauf in die Barentssee. Konkret geht es um das Erdgas- und Ölgeschäft der Stadtwerke München (SWM). Mit dem britischen Konzern Centrica haben sie das Unternehmen Spirit Energy gegründet, das mehr und mehr in den Fokus gerät. Klimaschützer fordern den sofortigen Ausstieg der SWM und kritisieren scharf die Probebohrungen in der ökologisch sensiblen Barentssee. Dass solche Eingriffe nicht mehr vorkämen, dafür setze man sich mit den 31 Prozent Anteilen an der Spirit Energy ein, sagt Thomas Meerpohl, der verantwortliche Manager bei den SWM. "Wir werden dazu hoffentlich in den nächsten Wochen Festlegungen treffen." Einen sofortigen Ausstieg aus dem Unternehmen hält er aber ökologisch und finanziell für nicht sinnvoll.

Beim Streit um die Münchner Bohrinseln in der Nordsee geht es weniger ums Grundsätzliche als vielmehr um den Zeitplan und viel Geld. Denn raus aus dem Geschäft wollen alle, auch die Rathauskoalition und selbst die Stadtwerke. Grüne und SPD reichten kürzlich einen Antrag ein, dass die SWM einen Zeitplan für ein rasches Ende vorlegen sollen. Zudem wollen sie keine weiteren Aktivitäten in "ökologisch sensiblen Gebieten wie der Barentssee", sagt Dominik Krause, Fraktionsvize der Grünen. Das sieht auch die SPD so. Sie will aber keinen radikalen oder überstürzten Zeitplan, sondern den bestmöglichen. "Dafür braucht es politische Leitplanken", sagt Julia Schmitt-Thiel, umweltpolitische Sprecherin im Stadtrat. Diese sollten ökologisch ehrgeizig sein, aber auch realistisch.

Diese Haltung wird im Stadtrat harsch kritisiert. Was die Koalition vorschlage, sei "völlig unzureichend. Sie verschleppen das Problem, anstatt es richtig anzupacken", findet Stefan Jagel, Vorsitzender der Fraktion Die Linke/Die Partei. Zusammen mit der ÖDP und den Freien Wählern verlangen sie einen Verkauf bis spätestens Ende 2021. Die FDP wendet sich schon seit langem gegen "solch waghalsige Beteiligungen" und begrüßt, dass die Koalition nun "unseren Vorschlägen folgt", sagt Fraktionschef Jörg Hoffmann.

Die Stadtwerke München sind schon viele Jahre im Erdgas- und Ölgeschäft tätig. Allerdings gerieten sie dabei mehr und mehr in Schieflage und mussten viele hundert Millionen Euro zuschießen. Die Gründung der Spirit Energy wurde 2017 zu einem Milliarden-Deal, der nicht nur langfristig Zugriff auf Gas garantieren, sondern auch finanzielle Sicherheit bieten sollte.

Die Münchner hatten aussichtsreiche Lizenzen zur Förderung, aber kein Geld zur Erschließung. Bei Centrica war die Lage umgekehrt, sie verdiente gerade gut, hatte aber keine Perspektiven. Der Start gelang, 2018 erhielten die SWM eine Dividende von 100 Millionen Euro. Doch schon im vergangenen Jahr gingen die Zahlen nach unten. Einem operativen Gewinn von etwa 200 Millionen Euro standen hohe Abschreibungen gerade in dänischen Feldern entgegen, sodass Spirit Energy letztlich einen Verlust von 320 Millionen Euro ausweisen musste. Dazu wurde bekannt, dass Centrica den 69-Prozent-Anteil verkaufen will.

Die Stadtwerke wollten vorerst im Geschäft bleiben, die Pandemie brachte die Verkaufsgespräche des britischen Partners zum Erliegen. Nun soll es weitergehen, doch die wegen der Corona-Krise niedrigen Preise für Gas und Erdöl bieten dafür einen schlechten Rahmen. Die SWM sehen aber nicht nur finanzielle Risiken bei einem überstürzten Verkauf, sondern derzeit auch wenig ökologischen Nutzen. Der ergebe sich erst, wenn die Wärmewende in der Stadt vorankomme. Solange aber viele Münchner Gas zum Heizen und fürs Warmwasser nutzten, sollten die Stadtwerke auch dieses Gas fördern können, sagt Manager Meerpohl. Andernfalls müssten sie den ungeliebten fossilen Brennstoff, den andere fördern, künftig kaufen. Mit sinkendem Bedarf soll auch die Gas-Beteiligung der SWM abgebaut werden.

Ökologisch gefährliche Bohrungen wie in der Barentssee sollen nicht mehr vorkommen. Die zwei Lizenzen hätten schon vor der Kooperation auf britischer Seite existiert, heißt es von den SWM, und hätten von Seiten der norwegischen Regierung verpflichtend Bohrungen vorgesehen. Das Ergebnis sei negativ gewesen, die Löcher seien wieder "voll verschlossen", sagt Meerpohl. Die SWM arbeiten nun an einem Zeitplan für den Ausstieg, eines aber sagen sie definitiv zu. Sie werden kein Geld in die Spirit Energy zuschießen. "Die ist im derzeit schwierigen Marktumfeld vergleichsweise robust."

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