Nahaufnahme:Der Handelnde

Nahaufnahme: "Ich war der schrecklichste Angestellte, den man sich vorstellen kann", sagt Marcus Diekmann.

"Ich war der schrecklichste Angestellte, den man sich vorstellen kann", sagt Marcus Diekmann.

(Foto: oh)

Wie Marcus Diekmann, Chef des Fahrrad-Shops Rose Bikes, Kollegen unterstützt.

Von Sara Maria Behbehani

Marcus Diekmann ist ein Mensch, der sich selbst als unzufriedenen Optimisten und fantasievollen Realisten beschreibt. Mit 16 Jahren fängt er an, Wirtschaftszeitungen zu abonnieren und sich mit Handel zu beschäftigen, eine Leidenschaft, die den heute 41-jährigen Geschäftsführer von Rose Bikes bis jetzt begleitet.

Mit 24 machte er sich mit einer Werbeagentur und einer Sanierungsberatung für Firmen selbständig, wobei er behauptet: "Eigentlich war ich mein ganzes Leben schon selbständig und unführbar. Ich war der schrecklichste Angestellte, den man sich vorstellen kann." Dabei ging es ihm nie um Protest. "Ich war getrieben von der Veränderung", sagt er.

Während des Studiums der Wirtschaftswissenschaften ist er an der Supermarktkasse gesessen und am Fließband gestanden. Mit 29 gründete er Shopmacher, eine Agentur für die Weiterentwicklung von E-Commerce, die er nach sechs Jahren gewinnbringend verkaufte. 2012 brachte er das Buch "eCommerce lohnt sich nicht" heraus und landete schließlich beim Fahrradunternehmen Rose Bikes.

Ruhe gegeben hat er nie. Immer wollte er Unternehmen verbessern, und das nicht allein, sondern im Team. "Es ist ja nicht so, als würden andere Unternehmen nicht sehen, was besser gemacht werden müsste", sagt er. "Meine größte Fähigkeit ist zu fragen, was getan werden muss, und es dann mit viel Mut und Entscheidungsfreude umzusetzen." Dabei gibt er zu, dass die Leute auch mal genervt von ihm sind. Doch für ihn gilt: "Veränderung ist keine Kritik an der Vergangenheit, sondern eine Notwendigkeit für die Zukunft."

Gerade die Corona-Pandemie hat den Markt radikal verändert. Diekmann weiß, dass man mit der Veränderung mitgehen muss. Kompromisse geht er dabei nicht ein. "Ich gestehe gerne Fehler ein, aber ich bin nicht bereit zum Kompromiss, nur damit irgendjemand zufrieden ist", sagt er. "Diese Dauertransformation ist eine Radikalität, die ich mitbringe."

So hat Diekmann auch die Corona-Krise nicht gelähmt, nur sein eigenes Unternehmen fit für den Lockdown zu machen, hat ihm nicht gereicht. "Der Lockdown war eine Kampfansage. Und entweder man lässt sich hängen oder aber man steht auf und gibt mehr Gas als jemals zuvor", sagt er und gibt lachend zu: "Vielleicht habe ich zu viele Braveheart-Filme gesehen." Bei Rose Bikes führen sie im März eine Kundenberatung per Whatsapp und Videochat ein. Sie investieren ins Marketing, in die Logistik, in den Online-Auftritt. Die Umsätze explodieren. "In Krisen muss man immer antizyklisch agieren und noch mehr investieren", sagt Diekmann.

Zugleich gründet er die Initiative "Händler helfen Händlern", ein Netzwerk von Händlern für Händler mit 3000 Mitgliedern, das in der Krise helfen soll, Wissen teilen und Tipps geben soll für den E-Commerce. Bis ein Uhr nachts arbeitet Diekmann an der Initiative. Er ist der Überzeugung, dass es ihm so gut geht und er so gut vernetzt ist in Wirtschaft und Politik, dass es seine Aufgabe ist, nun auch dem Handel zu helfen. Seinen Kindern will er später sagen können, dass er in der Corona-Krise nicht nur an sich gedacht und Geld verdient hat. Er möchte sagen können, dass er aufgestanden ist und für alle gekämpft hat. Im September wird die Initiative mit dem ECR Award 2020 "Helden der Stunde" ausgezeichnet.

Resignieren kommt auch im zweiten Lockdown für ihn nicht in Frage. Dennoch: Der Handel wird sich verändern, dessen ist er sich sicher, schließlich sei der Lockdown gerade die größte Subvention für den E-Commerce. "Veränderung ist für jeden schwer, auch für mich. Aber es ist die Chance, mit dem Team auch in Zukunft weiter zu gewinnen."

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