Gladbachs Thuram:Ziemlich feuchte Aussprache

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Ekliger Vorfall: Marcus Thuram (links) kurz nach seiner Spuckattacke gegen den Hoffenheimer Stefan Posch. (Foto: Laci Perenyi/imago images)

Marcus Thuram droht nach seiner Spuckattacke eine lange Sperre - auch wenn sein Verein versucht, die Aktion als "unabsichtlich" darzustellen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Vorweg drei berühmte Beispiele feuchter Demütigungen auf dem Fußballplatz: Der Niederländer Frank Rijkaard spuckte dem deutschen Stürmer Rudi Völler 1990 von hinten in die Haare. Der Stuttgarter Santiago Ascacibar spuckte im April 2019 aus zwei Metern Entfernung in Richtung des Leverkuseners Kai Havertz. Der Schalker Ozan Kabak spuckte im September dem am Boden liegenden Bremer Ludwig Augustinsson im Vorbeigehen auf den Rücken. Beim Anspucken macht man sich nicht mal die Hände schmutzig. Das macht es auch kulturhistorisch zu einem extremen Akt der Ehrverletzung.

Jemandem aus kürzester Distanz ins Gesicht zu spucken, ist die drastischste Form der Demütigung. So geschehen am Samstagnachmittag in Mönchengladbach. Borussias 23 Jahre alter Franzose Marcus Thuram spuckte in der 77. Minute seinem Hoffenheimer Gegenspieler Stefan Posch während eines verbalen Disputs aus wenigen Zentimetern frontal ins Antlitz. Nun könnte sich die Frage stellen, ob das absichtlich oder versehentlich war. Thuram und der Klub behaupten in einer am Sonntag veröffentlichten Mitteilung, dass es unabsichtlich beim Ausstoßen von Schimpfwörtern passiert sei. Aber: Für eine angeblich bloß feuchte Aussprache fliegt erkennbar zu viel Spucke in zu konzentrierter Form. Außerdem gab es unmittelbar nach dem vermeintlichen Missgeschick keine bedauernde Entschuldigung beim Gegenspieler. Es gab nach dem Spiel auch kein einlassendes TV-Interview und von Thuram zunächst kein persönliches Wort der Reue. Erst im Laufe des Abends veröffentlichte der Spieler auf seinem Twitterkanal ein sorgsam formuliertes Schuldeingeständnis.

Spuck-Attacke von Thuram
:"Heute sind ihm offensichtlich die Sicherungen durchgebrannt"

Gladbachs Niederlage gegen Hoffenheim rückt in den Hintergrund, weil Marcus Thuram Stefan Posch ins Gesicht spuckt. Erst entschuldigt sich Trainer Rose für die Aktion - dann auch der Stürmer selbst.

Von Ulrich Hartmann

Ascacibar wurde damals für sechs Spiele gesperrt, Kabak im Herbst für fünf. Thuram droht angesichts der Umstände seiner Tätlichkeit in überdies hygienesensiblen Corona-Zeiten eine noch härtere Sanktion. Der Verein belegte ihn bereits mit einer Geldstrafe in Höhe eines Monatsgehalts. Die Summe solle einem sozialen Zweck zugute kommen. Thuram habe von sich aus angeboten, sich darüber hinaus sozial zu engagieren.

Thuram entschuldigt sich via Twitter

Eine Stunde nach Spielschluss hatte der Trainer Marco Rose ein Plädoyer der Verteidigung formuliert, das die Schwere der Tat immerhin umfänglich einräumte: "Das ging weit über die Grenze hinaus", sagte Rose in der Pressekonferenz und entschuldigte sich beim Hoffenheimer Trainer Sebastian Hoeneß "im Namen des Vereins". Rose begann dann aber direkt, seinen Spieler moralisch ins rechte Licht zu rücken: "Marcus Thuram ist grundsätzlich ein wohlerzogener und reflektierter Mensch, der aus einem guten Elternhaus kommt. Er ist ein schlauer Junge und weiß, dass das rein menschlich nicht geht. Ich kenne ihn seit eineinhalb Jahren, grundsätzlich ist er ein ganz feiner Junge. Aber heute sind ihm die Sicherungen durchgebrannt, anders kann ich mir das nicht erklären."

Was genau bei dem Sohn des Fußball-Weltmeisters Lilian Thuram die Sicherungen derart hat durchbrennen lassen, weiß niemand. Aus Mönchengladbach gab es auch am Sonntag keine Hinweise auf eine explizite, grenzüberschreitende Provokation durch den Hoffenheimer Posch.

Am Samstagabend hatte Thuram in weißer Schrift auf schwarzem Grund getwittert: "Heute ist etwas passiert, das nicht meinem Charakter entspricht und das niemals hätte passieren dürfen. Ich habe mich einem Gegenspieler gegenüber falsch verhalten. Versehentlich, nicht absichtlich. Ich entschuldige mich bei Stefan Posch, den Gegenspielern, meinen Teamkameraden, meiner Familie und allen, die das gesehen haben."

Max Eberl sagt: "Er hat es nicht mit Absicht getan"

Versehentlich? Die TV-Bilder unterstützen diese Behauptung nicht. In der Vereins-Erklärung wird der Sportdirektor Max Eberl tags darauf so zitiert: "Marcus hat mir gesagt, dass er bei dem Disput mehrfach auf Französisch geschimpft und dabei im Zuge eines Wortschwalls und in größter Erregung unwillkürlich gespuckt hat. Ich glaube ihm, denn ich habe ihn als einen reflektierten Menschen mit tadellosem Benehmen kennengelernt. Er hat es nicht mit Absicht getan."

Thuram war bei der Borussia bis dahin das unschuldige Gesicht der Freude gewesen. Man kannte ihn vor allem auf positive Weise spitzbübisch. Nach Siegen hatte er in Vor-Corona-Zeiten das Trikot des siegbringenden Spielers auf die Eckfahne gespannt und damit vor der Fantribüne gewedelt. Er hat gerne Späße gemacht. So einer, dachte man, ist gut fürs Klima. Dieses Image aber hat Thuram am Samstag verloren, so eine Aktion bleibt haften. Die 1:2-Niederlage mit zwei Gegentreffern kurz vor und kurz nach der Spuckattacke bedeutete überdies, dass Gladbach dem Minimalziel Platz vier hinterherhinkt. So endete ein eigentlich überragendes Jahr für Borussia Mönchengladbach durchaus schmerzlich.

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